
Die Art und Weise, wie in den Sozial- und Kulturwissenschaften geforscht wird, hat sich in den letzten Jahren erheblich gewandelt. Traditionelle Methoden der Datenerhebung werden zunehmend durch mobile Ansätze ergänzt, die es Forschenden ermöglichen, näher an den Menschen und ihren Lebensrealitäten zu sein. Ein neues Lehrbuch mit dem Titel „Handbuch Mobile Methoden in der Sozial- und Raumforschung“ beleuchtet diese Entwicklung und bietet umfassende Einblicke in die Praxis mobiler Forschung. Herausgegeben wurde das Werk von Matthias Naumann, einem Humangeographen der Julius-Maximilians-Universität Würzburg, und Anke Strüver von der Universität Graz.
Das Handbuch, das vor kurzem veröffentlicht wurde, umfasst 320 Seiten und enthält insgesamt 22 Beiträge, die verschiedene Aspekte der mobilen Datenerhebung und -auswertung thematisieren. Die Autor:innen diskutieren nicht nur die Methoden selbst, sondern reflektieren auch deren Grenzen und die Notwendigkeit, diese fortlaufend weiterzuentwickeln. In einer Zeit, in der digitale Technologien immer präsenter werden, ist es für Wissenschaftler:innen unerlässlich, innovative Wege zu finden, um ihre Forschungsergebnisse zu erheben und darzustellen.
Zu den im Handbuch beschriebenen mobilen Methoden zählen unter anderem Walking-Interviews, Cook-Alongs und Instagram-Walks. Diese Formate ermöglichen eine aktive Einbindung von Bürger:innen in den Forschungsprozess und fördern den Austausch zwischen Wissenschaftler:innen und der Öffentlichkeit. Ein Beispiel für die Anwendung dieser Methoden ist die Untersuchung der Mobilitätserfahrungen in ländlichen Regionen, wo oft keine öffentlichen Verkehrsanbindungen vorhanden sind.
Ein konkretes Beispiel für mobile Forschung ist die Untersuchung von Drive-Throughs in der Lausitz, einer Region, die momentan einen tiefgreifenden Strukturwandel durchläuft, bedingt durch das Ende des Braunkohleabbaus. Professor Naumann und seine Kollegin Tamara Schaal-Lagodzinski vom Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumforschung haben sich mit der Frage beschäftigt, wie sich solche Drive-Throughs nutzen lassen, um die Mobilität der dort lebenden Menschen zu erfassen. In einer Region, in der die Anbindung an den öffentlichen Nahverkehr oft nicht gegeben ist, sind die Bewohner:innen auf das Auto angewiesen.
Die Forschenden besuchten mehrere strukturschwache Kommunen in den Landkreisen Elbe-Elster und Görlitz, die teils stark zersiedelt sind. Durch Fahrten in diesen Gebieten konnten sie nicht nur Daten über den Zustand von Immobilien und Infrastruktur sammeln, sondern auch direkt mit den Bewohner:innen ins Gespräch kommen. Diese Gespräche lieferten wertvolle Einblicke in die Herausforderungen, mit denen die Menschen vor Ort konfrontiert sind, und ermöglichten es, eine Verbindung zwischen den erhobenen Daten und den Lebensrealitäten der Bevölkerung herzustellen.
Die mobile Forschung bietet somit nicht nur die Möglichkeit, quantitative Daten zu generieren, sondern auch qualitative Einsichten zu gewinnen, die für das Verständnis komplexer sozialer Phänomene unerlässlich sind. Die Integration der Bürger:innen in den Forschungsprozess fördert nicht nur die Akzeptanz der Forschungsergebnisse, sondern kann auch dazu beitragen, dass die gewonnenen Daten relevanter und anwendungsorientierter sind.
Das Handbuch von Naumann und Strüver stellt eine wertvolle Ressource für Studierende und Forschende dar, die sich mit den Herausforderungen und Chancen mobiler Methoden auseinandersetzen möchten. Es bietet nicht nur theoretische Grundlagen, sondern auch praktische Anleitungen und Beispiele, die die Vielfalt und Flexibilität mobiler Forschung verdeutlichen.
Insgesamt zeigt die Entwicklung mobiler Forschungsmethoden, wie wichtig es ist, die wissenschaftliche Praxis an die sich verändernden gesellschaftlichen Bedingungen anzupassen. Der Trend hin zu mehr Mobilität in der Forschung ist ein Schritt in die richtige Richtung, um die Kluft zwischen Wissenschaft und Gesellschaft zu überbrücken und eine fundierte Grundlage für zukünftige Entscheidungen zu schaffen.