
Die Erhöhung der Vielfalt an Baumarten in Wäldern wird oft als wirksame Strategie betrachtet, um diese ökologischen Systeme widerstandsfähiger gegen klimatische Veränderungen, insbesondere gegen Dürreperioden, zu gestalten. Jedoch zeigt eine neue internationale Studie unter der Leitung der Universität Freiburg, dass eine hohe Artenvielfalt nicht automatisch zu einer verbesserten Dürreresistenz führt. Diese Erkenntnis basiert auf einer umfassenden Analyse der Jahrringe von 1.600 Bäumen aus unterschiedlichen Regionen Europas und stellt die bisherigen Annahmen zur Baumartenvielfalt infrage.
Die Forscher untersuchten das Wachstum von Bäumen aus 68 verschiedenen Artenmischungen und entdeckten, dass die positiven Effekte einer großen Baumartenvielfalt bei längeren Dürreperioden umkehren können. Während einjährige Dürrephasen tendenziell eine Verbesserung des Baumwachstums begünstigen können, zeigen sich bei langanhaltenden Trockenzeiten komplexe Wechselwirkungen. In einigen Fällen förderte die Mischung aus verschiedenen Baumarten die Dürretoleranz der Wälder, während sie in anderen Situationen zu erhöhtem Stress und Konkurrenz um Wasser führte.
Laut Hernán Serrano-León, dem Erstautor der Studie, verdeutlichen die Ergebnisse, dass eine größere Vielfalt an Baumarten nicht als universelle Lösung für die Herausforderungen des Klimawandels betrachtet werden kann. Um die Widerstandsfähigkeit der Wälder gegenüber Dürre zu verbessern, ist es entscheidend, die Artenzusammensetzung und die Bewirtschaftungsansätze gezielt auf die jeweiligen lokalen Gegebenheiten abzustimmen.
Die Grundlage für diese Forschung bildeten Daten aus TreeDivNet, dem weltweit größten Netzwerk für Experimente zur Baumartenvielfalt. Die analysierten Bäume stammen aus neun systematisch angelegten Versuchsflächen in sechs europäischen Ländern, die von der Mittelmeerregion bis in die boreale Zone im Norden reichen. Durch die Kombination von dendrochronologischen Methoden und moderner Röntgentomografie konnten die Wissenschaftler präzise Messungen des Baumwachstums durchführen und so den Einfluss von Baumartenvielfalt unter vergleichbaren Bedingungen untersuchen.
Ein zentrales Ergebnis der Studie ist, dass die Wechselwirkungen zwischen den Baumarten sowohl positive als auch negative Effekte auf die Dürreresistenz haben können. Positive Effekte treten beispielsweise auf, wenn verschiedene Baumarten in der Lage sind, Wasser effizienter zu nutzen oder sich gegenseitig zu unterstützen. Im Gegensatz dazu kann eine hohe Artenvielfalt auch zu einem intensiveren Wettbewerb um Wasserressourcen führen, besonders während Dürreperioden, was die Gesundheit der Wälder gefährden kann.
Die Forscher betonen die Dringlichkeit, wissenschaftliche Erkenntnisse mit dem praktischen Wissen der Forstwirtschaft zu verbinden. Angesichts der Tatsache, dass Dürreperioden in Zukunft wahrscheinlich häufiger und länger auftreten werden, ist es entscheidend, nicht nur die Anzahl der Baumarten zu berücksichtigen, sondern auch die spezifische Zusammensetzung der Arten innerhalb eines Waldes. Diese gezielte Auswahl könnte der Schlüssel zu gesunden und resilienten Wäldern in einer sich verändernden Klimawelt sein.
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die Annahme, eine höhere Baumartenvielfalt allein garantiere eine verbesserte Resistenz gegenüber Dürre, nicht haltbar ist. Die Erkenntnisse dieser Studie fordern dazu auf, die komplexen biologischen Zusammenhänge zu verstehen und geeignete Bewirtschaftungsstrategien zu entwickeln, die auf den spezifischen Bedingungen der jeweiligen Wälder basieren. Nur so kann es gelingen, die Wälder an die Herausforderungen des Klimawandels anzupassen und ihre ökologischen Funktionen langfristig zu sichern.