
In den letzten Jahren hat sich die Besorgnis über das Verschwinden von Bestäubern wie Bienen und Hummeln verstärkt. Diese Insekten spielen eine entscheidende Rolle im Ökosystem und in der Nahrungsmittelproduktion. Um den Rückgang der Insektenpopulationen zu dokumentieren und geeignete Schutzmaßnahmen zu ergreifen, ist es notwendig, umfassende Daten über die Bestäuberverteilung und -vielfalt zu sammeln. Ein innovatives Projekt an der Universität Hohenheim, in Zusammenarbeit mit mehreren Hochschulen und einem Start-up, hat das Ziel, mittels Künstlicher Intelligenz (KI) ein automatisiertes Überwachungssystem für Bestäuber zu entwickeln.
Das Team unter der Leitung von Dr. Kirsten Traynor an der Landesanstalt für Bienenkunde an der Universität Hohenheim hat ein Kamerasystem entwickelt, das in der Lage ist, Bestäuber anhand ihres Flugverhaltens zu erkennen und zu klassifizieren. Dies ist besonders wichtig, da herkömmliche Methoden zur Erfassung von Insekten oft zeitaufwendig und schädlich für die Tiere sind. Die gängigen Erfassungsmethoden beinhalten häufig die Verwendung von Fallen, die die Insekten fangen und damit potenziell verletzen. Zudem erfordert die Durchführung von Erhebungen oft den Einsatz mehrerer Fachkräfte, was die Kosten und den Aufwand erhöht.
Das Projekt, das den Namen „BeeVision“ trägt, zielt darauf ab, die Erfassung von Bestäubern zu revolutionieren. Mit Hilfe eines KI-gesteuerten Systems sollen Daten über die Insektenvielfalt und -dichte auf städtischen und ländlichen Flächen erfasst werden. „Um wirksame Maßnahmen zum Schutz der Bestäuber zu entwickeln, benötigen wir präzise Informationen darüber, wo und in welcher Häufigkeit verschiedene Bestäubergruppen vorkommen“, erklärt Dr. Traynor. Dies ist besonders relevant, da urbane Räume oft ungenutztes Potenzial für die Unterstützung von Wildbienen und anderen Bestäubern bieten.
Ein zentrales Merkmal des BeeVision-Projekts ist die Verwendung von Event-Kameras, die Flügelschläge und Flugbahnen von Insekten aufzeichnen können. Das KI-System analysiert diese Aufnahmen und ordnet die Bestäuber entsprechend zu. Der Prozess läuft in Echtzeit ab und ermöglicht eine kontinuierliche Überwachung von Insektenpopulationen. „Die KI kann die Bewegungen der Insekten von anderen Störungen im Hintergrund unterscheiden, was eine präzisere Analyse ermöglicht“, berichtet Leland Gehlen, wissenschaftlicher Mitarbeiter des Projekts.
Die Entwicklung der Technologie ist eine anspruchsvolle Aufgabe, da es notwendig ist, die KI so zu trainieren, dass sie nicht nur die Flüge der Insekten erkennt, sondern auch zwischen verschiedenen Arten unterscheiden kann. Dazu haben die Forscher zahlreiche Videos aufgenommen, in denen sie verschiedene Bestäuber vor einem neutralen Hintergrund freigelassen haben. Diese Methode stellt sicher, dass nur die relevanten Daten für das Training der KI verwendet werden.
Die Fortschritte im Projekt sind vielversprechend. Inzwischen kann die BeeVision-Technologie bereits die Flugbahnen mehrerer Insekten gleichzeitig erfassen. Dennoch gibt es noch Herausforderungen, insbesondere in Bezug auf die exakte Zählung der Bestäuber. Die Forscher sind jedoch optimistisch, dass die Technologie weiter verbessert werden kann, um eines Tages ein umfassendes Monitoring über längere Zeiträume zu ermöglichen.
Ein langfristiges Ziel des Projekts ist es, die Kameras so zu gestalten, dass sie kostengünstig und leicht zu transportieren sind. Dies würde es ermöglichen, die Kameras über mehrere Tage hinweg an einem Standort zu positionieren und die Auswirkungen von Maßnahmen wie der Schaffung von Blühstreifen oder anderen Umweltveränderungen auf die Bestäuberpopulationen zu beobachten. „Dies wäre ein bedeutender Fortschritt für den Artenschutz und die Biodiversität“, sagt Dr. Traynor.
Das BeeVision-Projekt ist eine Kooperation zwischen der Universität Hohenheim, der Hochschule Niederrhein, der Hochschule Karlsruhe und dem Unternehmen apic.ai und wird durch die Carl-Zeiss-Stiftung gefördert. Die interdisziplinäre Zusammenarbeit vereint Experten aus den Bereichen Data Science, KI und Insektenkunde, um innovative Lösungen für die Herausforderungen des Insektenschutzes zu entwickeln. In einer Zeit, in der die Erhaltung der Biodiversität von größter Bedeutung ist, könnte diese Technologie entscheidende Informationen liefern, um die notwendigen Schutzmaßnahmen für unsere Bestäuber zu planen und umzusetzen.