Von Abfällen zu Rohstoffen: Innovative Ansätze zur Nylonproduktion aus Styropor**

Von Abfällen zu Rohstoffen: Innovative Ansätze zur Nylonproduktion aus Styropor**

Wissenschaftler der Universität des Saarlandes haben einen bahnbrechenden Fortschritt in der Umwandlung von Abfall in wertvolle Rohstoffe erzielt. Sie haben einen Prozess entwickelt, der es ermöglicht, die umweltschädlichen Kunststoffe Polystyrol, insbesondere in Form von Styropor, mithilfe von Bakterien in die Grundstoffe für die Nylonproduktion zu verwandeln. Dies geschieht, ohne auf neue Erdölressourcen angewiesen zu sein, was einen bedeutenden Schritt in der nachhaltigen Kunststoffverwertung darstellt.

Professor Christoph Wittmann, ein Experte für Systembiotechnologie an der Universität des Saarlandes, hat in Zusammenarbeit mit Kollegen aus verschiedenen Disziplinen, darunter Polymerchemie und Materialwissenschaften, diese innovative Lösung entwickelt. Ihre Forschungsergebnisse wurden im Chemical Engineering Journal veröffentlicht und bieten einen vielversprechenden Ausblick auf die Verwendung von Polystyrol-Abfällen.

Polystyrol ist ein Kunststoff, der in vielen alltäglichen Produkten Verwendung findet, jedoch nur schwer recycelbar ist. Jährlich fallen weltweit etwa 20 Millionen Tonnen Polystyrol-Abfälle an, von denen nur ein Bruchteil wiederverwertet wird. Dieses Problem beschäftigt Wittmann seit Jahren, und die aktuelle Forschung könnte dazu beitragen, die Recyclingraten erheblich zu steigern.

Der Prozess beginnt mit der Gewinnung der molekularen Bausteine aus Styropor. Hierbei kommen spezielle Bakterien, insbesondere die Art Pseudomonas putida, zum Einsatz, die in der Lage sind, diese Bausteine abzubauen und in nützliche Chemikalien umzuwandeln. Um dies zu erreichen, mussten die Forscher den Stoffwechsel der Bakterien so anpassen, dass sie Styropor-Bausteine als Nahrungsquelle nutzen können. Dies erforderte jahrelange Laborexperimente und eine präzise Manipulation der Bakterien, um sicherzustellen, dass sie die gewünschten Produkte als „Verdauungsprodukte“ abgeben.

Ein zentrales Produkt dieses Verfahrens ist Muconsäure, die in zwei wichtige Verbindungen, Adipinsäure und Hexamethylendiamin, gespalten werden kann. Diese beiden chemischen Verbindungen sind entscheidend für die Herstellung von Nylon, einem vielseitigen Kunststoff, der in vielen Anwendungen, von Textilien bis hin zu technischen Produkten, eine Rolle spielt.

Die Bedeutung dieser Entdeckung liegt nicht nur in der Umwandlung von Abfall in Rohstoffe, sondern auch in der Qualität der produzierten Stoffe. Die Forscher vom Leibniz-Institut für Neue Materialien (INM) konnten nachweisen, dass die mit diesem neuen Verfahren hergestellten Chemikalien und Kunststoffe die gleichen Eigenschaften aufweisen wie jene, die aus neuem Erdöl synthetisiert werden. Dies ist besonders wichtig für die industrielle Nutzung, da die Materialien die erforderliche Belastbarkeit und Leistung bieten müssen.

Ein weiterer Vorteil dieser Methode ist die Integration in den bestehenden Stoffkreislauf, was bedeutet, dass Millionen Tonnen von Polystyrol-Abfällen wiederverwendet werden können. Das Verfahren wurde unter anderem im Rahmen des EU-Projektes „Repurpose“ gefördert, das darauf abzielt, innovative Recyclingmethoden zu entwickeln.

Die interdisziplinäre Zusammenarbeit der Forscher am Campus der Universität des Saarlandes hat sich als entscheidend für den Erfolg dieses Projekts erwiesen. Wittmann betont die Notwendigkeit von Teamarbeit und den Austausch von Ideen über Fachgrenzen hinweg. „Nachhaltigkeit erfordert interdisziplinäre Teams. Alleine ist man oft nicht in der Lage, komplexe Probleme zu lösen“, erklärt er.

Diese Forschung ist ein vielversprechendes Beispiel dafür, wie Wissenschaftler innovative Lösungen für drängende Umweltprobleme entwickeln können. Die Umwandlung von schwer recycelbarem Polystyrol in wertvolle Rohstoffe für die Kunststoffindustrie könnte nicht nur zur Reduzierung von Plastikmüll beitragen, sondern auch neue wirtschaftliche Perspektiven für die chemische Industrie eröffnen. So zeigt sich, dass durch kreative Ansätze und wissenschaftlichen Fortschritt Abfall in wertvolle Ressourcen umgewandelt werden kann – ein wahrhaft zukunftsweisender Schritt in der Materialwissenschaft.