
Ein Forschungsteam am Max-Planck-Institut für chemische Ökologie hat einen bedeutenden Fortschritt in der Biosynthese von Iridoiden erzielt, einer wichtigen Klasse pflanzlicher Verbindungen, die sowohl in der Pflanzenabwehr als auch in der Medizin von Bedeutung sind. Iridoide sind natürliche chemische Verbindungen, die in zahlreichen Pflanzenarten vorkommen und als sekundäre Pflanzenstoffe gelten. Diese Verbindungen spielen nicht nur eine Rolle beim Schutz der Pflanzen vor Schädlingen und Krankheiten, sondern haben auch entzündungshemmende Eigenschaften und sind Vorläufer für verschiedene medizinische Wirkstoffe, einschließlich des Krebsmedikaments Vinblastin.
Der bisher ungeklärte letzte Schritt in der Biosynthese dieser Verbindungen betraf die Cyclisierung zu Nepetalactol, der grundlegenden Struktur aller Iridoide. Sarah O’Connor, die Leiterin der Abteilung für Naturstoffbiosynthese am Max-Planck-Institut, hat sich seit über 15 Jahren mit diesem spezifischen Biosyntheseweg beschäftigt. Zuvor waren zwar Enzyme bekannt, die in der Lage waren, das Gerüst der Iridoide zu bilden, jedoch produzierten diese Enzyme nur geringe Mengen des gewünschten Produkts Nepetalactol und gleichzeitig viele unerwünschte Nebenprodukte. Wissenschaftler gingen lange Zeit davon aus, dass diese Cyclisierungsreaktion möglicherweise ohne jegliche enzymatische Unterstützung ablaufen könnte.
Im Rahmen von Experimenten, die an Katzenminze durchgeführt wurden, begannen die Forscher jedoch, Beweise zu sammeln, die darauf hindeuteten, dass ein spezifisches Enzym an diesem Prozess beteiligt sein könnte. Es war jedoch unklar, wie ein solches Enzym aussehen könnte, was die Suche nach dem entscheidenden Enzym äußerst komplex machte. Normalerweise hätte das Team Hunderte von möglichen Kandidaten testen müssen, um das richtige zu finden. Dank der Zusammenarbeit mit Robin Buell von der Universität Georgia, die einen innovativen Datensatz generieren konnte, wurde jedoch ein Durchbruch erzielt. Dieser Datensatz ermöglichte es, die Expression von Genen in einzelnen Zellen der Brechwurzel zu analysieren, was die Anzahl der potenziellen Enzymkandidaten stark reduzierte.
Durch den Vergleich der neuen Daten mit bereits bekannten Iridoid-Biosynthese-Genen entdeckte das Team, dass nur eine sehr kleine Anzahl unbekannter Gene mit diesen bekannten Genen korrelierte. Dies erleichterte die experimentelle Überprüfung der Gene auf ihre Aktivität, was von Masterstudentin Chloée Tymen durchgeführt wurde. Schließlich konnte für eines dieser unbekannten Gene nachgewiesen werden, dass es die Cyclisierungsreaktion katalysiert, wenn es in Pflanzen oder Bakterien exprimiert wird. Damit wurde bestätigt, dass dieses Gen für die lange gesuchte Cyclase verantwortlich ist.
Ein Vergleich der Aminosäuresequenz der entdeckten Cyclase mit Sequenzen aus Tausenden von Pflanzenarten ergab, dass das Enzym in den Pflanzen vorhanden ist, die auch Iridoide bilden. Die Forscher waren erstaunt zu entdecken, dass das gefundene Enzym zu einer unerwarteten Klasse von Enzymen gehört, die bislang mit ganz anderen chemischen Reaktionen assoziiert war. Trotz dieses Erfolges bleibt jedoch unklar, wie die Cyclisierung genau abläuft und durch welchen chemischen Mechanismus sie erfolgt. Diese Fragen sind Gegenstand weiterer Untersuchungen.
Die Entdeckung der Cyclase, die für die Bildung von Iridoiden entscheidend ist, zeigt eindrucksvoll, dass Enzyme in der Natur manchmal unerwartete Reaktionen katalysieren können, die nicht einfach vorhersehbar sind. Diese Erkenntnisse könnten weitreichende Implikationen für die biotechnologische Produktion von Nepetalactol und den daraus abgeleiteten antitumoralen Wirkstoffen wie Vinblastin und Vincristin haben. Zukünftig könnten diese Verbindungen möglicherweise in Hefepilzen oder anderen Pflanzenarten auf nachhaltige Weise produziert werden, was neue Perspektiven für die pharmazeutische Industrie eröffnet.
Zusammengefasst stellt dieser Fortschritt einen bedeutenden Schritt in der Naturstoffforschung dar und könnte dazu beitragen, neue Wege zur Herstellung wichtiger medizinischer Substanzen zu erschließen. Die Forscher am Max-Planck-Institut für chemische Ökologie setzen ihre Arbeit fort, um die komplexen biologischen Prozesse, die hinter der Biosynthese von Iridoiden stehen, weiter zu entschlüsseln und deren Anwendungsmöglichkeiten zu erforschen.