
Vulkane sind faszinierende geologische Phänomene, die nicht nur für ihre Schönheit, sondern auch für ihre potenziellen Gefahren bekannt sind. Um das Verhalten dieser Naturgewalten besser zu verstehen, haben Forscher der Johannes Gutenberg-Universität Mainz unter der Leitung von Jun.-Prof. Dr. Miriam Christina Reiss bahnbrechende Erkenntnisse über die seismischen Aktivitäten am Oldoinyo Lengai in Tansania gewonnen. Ihre Studie, die am 1. Oktober 2025 im angesehenen Fachjournal Communications Earth & Environment veröffentlicht wurde, widmet sich den Tremoren, die durch die Bewegung von Magma und Gasen im Erdinneren verursacht werden.
Das Team um Dr. Reiss beschäftigte sich mit der Frage, wie Vulkane funktionieren und welche Prozesse hinter den Erschütterungen stehen, die häufig mit vulkanischer Aktivität in Verbindung gebracht werden. „Tremore sind ein Indikator für die Aktivität eines Vulkans“, erklärt Reiss. Wenn Magma aus den Tiefen der Erde an die Oberfläche drängt, kann dies zu spürbaren Erschütterungen führen. In einigen Fällen, wenn der Druck des Magmas zu hoch wird, kann es sogar zu Erdbeben kommen. In anderen Situationen sind die verursachten Vibrationen weniger stark und werden als Tremore bezeichnet. Diese entstehen beispielsweise, wenn Magma sich durch bestehende Kanäle bewegt, Gase freigesetzt werden oder Druckschwankungen auftreten.
Um die komplexen Zusammenhänge zwischen Tremoren und vulkanischen Prozessen zu ergründen, installierte das Forschungsteam über einen Zeitraum von eineinhalb Jahren zahlreiche Seismometer rund um den Oldoinyo Lengai. Diese Geräte sind in der Lage, die Schwingungen der Erde zu messen und detaillierte Daten über die seismischen Aktivitäten zu sammeln. Die Analyse dieser Daten ermöglichte es den Wissenschaftlern, präzise Informationen über den Ursprung und die Tiefe der Tremore zu gewinnen. Reiss berichtet: „Wir konnten nicht nur die Tremore nachweisen, sondern auch deren genaue Position im Raum bestimmen.“
Ein besonders bemerkenswerter Aspekt der Forschung war die Entdeckung, dass zwei verschiedene Tremortypen in Zusammenhang zu stehen scheinen. Der eine Tremor trat in etwa fünf Kilometern Tiefe auf, während der andere am Fuß des Vulkans registriert wurde. Diese Erkenntnis legt nahe, dass es ein vernetztes System von seismischen Aktivitäten gibt, das tief im Erdinneren wirkt. Die Vielfalt der registrierten Tremorsignale war zudem überraschend groß, was darauf hinweist, dass unterschiedliche Prozesse und geologische Strukturen innerhalb des Vulkans die Erschütterungen verursachen.
Der Oldoinyo Lengai ist ein einzigartiger Vulkan, da er der einzige aktive Karbonatitvulkan der Welt ist. Dies bedeutet, dass sein Magma eine andere chemische Zusammensetzung hat als das von anderen Vulkanen. Interessanterweise ist das Magma des Oldoinyo Lengai flüssiger und hat eine Temperatur von etwa 550 Grad Celsius, was im Vergleich zu anderen Vulkanen, deren Magma Temperaturen zwischen 650 und 1200 Grad Celsius erreicht, relativ niedrig ist. Reiss hebt hervor, dass die Ergebnisse ihrer Studie besonders bemerkenswert sind, da man aufgrund der flüssigen Beschaffenheit des Magmas nicht unbedingt mit einer Vielzahl an Tremoren rechnen konnte.
Die Erkenntnisse dieser Forschung haben nicht nur wissenschaftlichen Wert, sondern auch praktische Implikationen. Das Verständnis der Tremoren und ihrer Ursachen könnte dazu beitragen, die Vorhersage von Vulkanausbrüchen zu verbessern. „Es ist entscheidend zu verstehen, welche Tremore tatsächlich Vorboten eines Ausbruchs sind und welche lediglich als Hintergrundgeräusch betrachtet werden können“, sagt Reiss. Die Ergebnisse ihrer Arbeit könnten somit wichtige Hinweise für die zukünftige Vulkanüberwachung und das Risikomanagement in vulkanisch aktiven Regionen liefern.
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die Untersuchungen der Johannes Gutenberg-Universität Mainz einen bedeutenden Fortschritt im Bereich der Vulkanseismologie darstellen. Sie eröffnen neue Perspektiven auf die dynamischen Prozesse, die in Vulkanen ablaufen, und könnten langfristig dazu beitragen, das Risiko von Vulkanausbrüchen für Mensch und Umwelt besser zu verstehen und zu managen.