
Ein aktuelles Forschungsprojekt hat vielversprechende Lösungen zur Förderung der Elektromobilität in Berlin präsentiert, indem es die Nutzung von Supermarktparkplätzen in den Fokus rückt. Wissenschaftler des Reiner Lemoine Instituts (RLI) und des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR) haben im Rahmen des Projekts „Retail4Multi-Use“ Konzepte entwickelt, die eine effizientere Nutzung von Ladeinfrastruktur ermöglichen. Diese Ansätze könnten den Bedarf an zusätzlicher Ladeinfrastruktur im öffentlichen Raum bis zu 17 Prozent verringern und gleichzeitig die Wirtschaftlichkeit bestehender Ladesäulen um bis zu 255 Prozent steigern.
Die zentrale Innovation des Projekts ist eine digitale Plattform, die als Vermittlungsstelle für Ladepartnerschaften fungieren soll. Diese Plattform wird es ermöglichen, dass Supermarktbetreiber und Flottenbetreiber effektiv zusammenarbeiten, um Ladeinfrastruktur gemeinsam zu nutzen. Bereits während der Projektlaufzeit konnten erste potenzielle Partner identifiziert werden. Eine konkrete Kooperation zwischen den Berliner Wasserbetrieben und dem Energieversorger Vattenfall auf einem Parkplatz von Netto steht bereits in den Startlöchern.
Christian Hirte, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für Verkehr, hebt die Bedeutung des Projekts hervor: „Mit Retail4Multi-Use demonstrieren wir, wie die Ladeinfrastruktur sowohl von Supermarktkunden als auch von Flottenbetreibern effizient genutzt werden kann. Kunden haben die Möglichkeit, während ihres Einkaufs zu laden, und außerhalb der Öffnungszeiten steht die Infrastruktur gewerblichen Nutzern zur Verfügung. Die entwickelte Vermittlungsplattform ist ein innovativer Ansatz, der auch in Zukunft weiterverfolgt werden sollte.“
Die Leiterin des Forschungsbereichs „Mobilität mit Erneuerbaren Energien“ am RLI, Friederike Reisch, ergänzt: „Wir haben untersucht, welche Konzepte die Nutzung von Ladeinfrastruktur auf Supermarktparkplätzen optimieren können. Diese Ergebnisse sind besonders relevant für Unternehmen mit Fahrzeugflotten, die über unzureichende eigene Ladeinfrastruktur verfügen. Sie erleichtern die Elektrifizierung der Flotten und unterstützen die betrieblichen Abläufe.“
Nils Brätsch von den Berliner Wasserbetrieben betont die Vorteile des Mehrfachnutzungskonzepts: „Kollegen aus verschiedenen Abteilungen haben oft lange Wege durch die Stadt. Das neue Konzept ermöglicht es uns, in der Nähe von Einsatzorten schnell zwischenzuladen, was die Fahrzeiten zum Depot verringert.“
Annemarie de Jong, Director Sales & Operations bei Vattenfall E-Mobility Deutschland, hebt hervor, dass Supermarktparkplätze eine Schlüsselrolle bei der Integration von Elektromobilität in den Alltag spielen. Durch Kooperationen mit Partnern wie Netto wird demonstriert, wie effektives Schnellladen im urbanen Raum aussehen kann – alltagsnah und nachhaltig mit 100 Prozent Ökostrom. Vattenfall investiert gezielt in hochwertige Standorte im Einzelhandel, um die Netze zu entlasten und Kosten zu senken.
Laut Dr. Jan Grippenkoven vom DLR Institut für Verkehrsforschung zeigen die Forschungsergebnisse, dass bis 2045 in Berlin rund 330.000 Ladepunkte benötigt werden, um die steigende Zahl an elektrischen Fahrzeugen zu versorgen. Das entspricht einer Verzehnfachung der aktuell vorhandenen Ladepunkte. Die Nutzung bestehender Ladeinfrastruktur kann dabei eine wichtige Rolle spielen, um den Ausbau effizient zu gestalten und die Versorgung der Elektromobilisten zu verbessern.
Die Studienergebnisse zeigen, dass in Berlin bis 2035 potenziell bis zu 3500 MWh Ladebedarf auf Einzelhandelsstandorte verlagert werden können, was dem Energiebedarf von etwa 45.000 Haushalten entspricht. Die Forschung hat synthetische Fahrprofile analysiert und die Ergebnisse mithilfe moderner Simulationswerkzeuge wie dem Open-Source-Tool SimBEV und dem DLR-Tool CHARGIN ausgewertet.
Eine weitere wichtige Errungenschaft des Projekts ist die Entwicklung einer Matching-Plattform, die es Flottenbetreibern und Ladeinfrastrukturbetreibern ermöglicht, gezielt nach Kooperationspartnern zu suchen. Diese Plattform könnte auch über Berlin hinaus in anderen urbanen Zentren von Bedeutung sein.
Das Projekt „Retail4Multi-Use“ wird durch das Bundesministerium für Verkehr gefördert und hat das Potenzial, die Elektromobilität in städtischen Gebieten nachhaltig voranzutreiben. Die Erkenntnisse und Technologien, die im Rahmen dieser Initiative entwickelt wurden, könnten entscheidend dazu beitragen, die Energiewende in Deutschland zu unterstützen und eine zukunftsfähige Mobilität zu gestalten.