
Die Ostseeküste bietet ein einzigartiges Forschungsfeld, das die Auswirkungen des Klimawandels veranschaulicht. Forscher des Leibniz-Instituts für Ostseeforschung Warnemünde (IOW) haben kürzlich einen umfassenden Artikel veröffentlicht, der die gegenwärtige Situation und die prognostizierten Entwicklungen der Ostseeküste beleuchtet. Die Studie hebt hervor, dass die Ostsee, als nahezu vollständig von Land umgebenes Binnenmeer, als Modell für die Untersuchung der Klimawandelfolgen dient. Angesichts des begrenzten Wasseraustausches mit der Nordsee sind die Ostsee und ihre Küstenregionen besonders anfällig für anthropogene Einflüsse.
Ein zentrales Anliegen der Forschung ist die Analyse der Wechselwirkungen zwischen den Küstengebieten und dem offenen Meer. Diese Wechselwirkungen sind entscheidend für das Verständnis der ökologischen Veränderungen, die durch den Klimawandel hervorgerufen werden. Besonders die flachen Küstenzonen sind von Bedeutung, da sie sowohl die Biodiversität als auch die menschliche Nutzung betreffen. Mit 85 Millionen Menschen im Einzugsgebiet der Ostsee ist der Druck auf dieses Ökosystem enorm. Intensive Landwirtschaft und urbaner Ausbau führen zu hohen Nährstoffeinträgen, was die Eutrophierung der Gewässer vorantreibt. Diese Eutrophierung hat bereits zu giftigen Algenblüten und Sauerstoffmangel geführt, was im September 2025 zu einem massenhaften Fischsterben in der Nähe von Rostock führte.
Die Studie zeigt, dass der Klimawandel die bereits bestehenden Belastungen weiter verstärken wird. Prognosen deuten auf intensivere marine Hitzewellen, zunehmenden Sauerstoffmangel und häufigere, stärkere Stürme hin. Diese Faktoren beeinflussen nicht nur den marinen Stoffumsatz, sondern haben auch gravierende Auswirkungen auf die Lebensgemeinschaften im Wasser. Die Erstautorin Maren Voss betont, dass die Konsequenzen des Klimawandels in der Ostsee besonders ausgeprägt sein werden, was die Dringlichkeit interdisziplinärer Forschung unterstreicht.
Ein besonderes Augenmerk gilt den küstennahen Sedimenten, die für die Fortpflanzung und das Überleben vieler Meeresorganismen entscheidend sind. Phytoplankton, zu dem auch potenziell giftige Algenarten gehören, und Zooplankton, das als Nahrungsquelle für viele Fische dient, sind besonders betroffen. Die Reaktion dieser Organismen auf die steigenden Wassertemperaturen, die durch den Klimawandel bedingt sind, ist bis jetzt unzureichend erforscht. Zukünftige Szenarien könnten verschiedene Herausforderungen mit sich bringen, darunter die verstärkte Bildung giftiger Algenblüten und die Ausweitung von hypoxischen Zonen, in denen der Sauerstoffgehalt im Wasser gefährlich niedrig ist.
Die Studie fordert eine verstärkte interdisziplinäre Zusammenarbeit, um die Herausforderungen an den Küsten der Ostsee umfassend zu analysieren und langfristige Beobachtungsprogramme zu etablieren. Regelmäßige Probenahmen in flachen Küstengewässern stehen vor methodischen Hürden, die es zu überwinden gilt. Innovative Technologien wie am Meeresboden verankerte Messsysteme und Drohnen können dabei helfen, präzisere Daten zu sammeln. Auch die Nutzung von Umwelt-DNA (eDNA) zur Untersuchung der Biodiversität gewinnt an Bedeutung.
Ein zentrales Element der zukünftigen Forschungsanstrengungen wird die Entwicklung von Modellen sein, die verschiedene Stressfaktoren räumlich präzise abbilden. Nur so können belastbare Prognosen erstellt werden, die Entscheidungsträgern als Grundlage für Maßnahmen zum Küstenschutz dienen. Das IOW hat das Shore2Basin (S2B) Programm initiiert, das einen wichtigen Beitrag zur Beobachtung der Ostsee-Küstenzonen leisten soll. Internationale Kooperationen, wie das CoastClim-Projekt zwischen schwedischen und finnischen Universitäten, werden ebenfalls gefördert, um die Forschung zu intensivieren.
Im August 2025 startete die erste große Forschungsfahrt mit dem Schiff Elisabeth Mann Borgese im Rahmen des S2B-Programms, und es sind weitere Fahrten geplant. Die gesammelten Daten werden nicht nur zur Verbesserung der wissenschaftlichen Erkenntnisse über flache Gewässer beitragen, sondern auch in die Entwicklung neuer Methoden und Langzeitbeobachtungsprogramme für den Meeresschutz einfließen.
Die Ostseeküste im Anthropozän erfordert dringend unsere Aufmerksamkeit, sowohl aus wissenschaftlicher als auch aus ökologischer Perspektive. Die Herausforderungen sind groß, aber mit einer verstärkten interdisziplinären