
Eine bahnbrechende Studie, die in der renommierten Fachzeitschrift Science veröffentlicht wurde, beleuchtet die bemerkenswerte Navigationsfähigkeit von Flughunden. Ein internationales Forschungsteam, bestehend aus Wissenschaftlern aus Israel, Tansania und Deutschland, hat erstmals die Gehirnaktivität von Säugetieren in ihrer natürlichen Umgebung aufgezeichnet. Dabei wurde festgestellt, dass die untersuchten Nilflughunde über einen neuronalen Kompass verfügen, der ihnen hilft, sich zu orientieren, ohne dass sie auf den Mond, die Sterne oder das Erdmagnetfeld angewiesen sind.
Die Forschung fand auf Latham Island statt, einer kleinen, unbewohnten Insel im Indischen Ozean, etwa 40 Kilometer vor der Küste Tansanias. Diese isolierte Insel wurde als idealer Ort gewählt, um das Flugverhalten und die Navigationsfähigkeiten der Flughunde zu untersuchen. Das Team um Prof. Dr. Henrik Mouritsen von der Universität Oldenburg war maßgeblich an der Untersuchung beteiligt. Sie verwendeten winzige Datenlogger, die im Gehirn der Flughunde implantiert wurden, um die Aktivität einzelner Nervenzellen während der Flüge der Tiere aufzuzeichnen.
Die Ergebnisse waren faszinierend: Die Forschenden entdeckten, dass die Flughunde einen neuronalen Kompass besitzen, der ihnen konsistente Richtungsinformationen bietet. Diese Informationen sind unabhängig von externen Faktoren wie dem Mond oder den Sternen. Darüber hinaus zeigte die Studie, dass das Erdmagnetfeld offenbar keine Rolle bei der Navigation dieser Tiere spielt.
In Experimenten in Israel, die Prof. Mouritsen gemeinsam mit Dr. Shir Maimon durchführte, wurde untersucht, ob die Flughunde das Magnetfeld der Erde zur Orientierung nutzen. Die Ergebnisse deuten darauf hin, dass dies nicht der Fall ist. Stattdessen könnte es sein, dass die Flughunde, ähnlich wie Menschen, auf andere neuronale Mechanismen zur Navigation zurückgreifen. Prof. Dr. Nachum Ulanovsky, der Hauptautor der Studie, stellte fest, dass die Kopfrichtungsneuronen der Flughunde wahrscheinlich den gleichen Mechanismus verwenden wie die entsprechenden Zellen im menschlichen Gehirn.
Die Forschungsreise auf Latham Island begann 2023 und umfasste mehrere Expeditionen. Während der Experimente wurden sechs Nilflughunde (Rousettus aegyptiacus) mit den speziell entwickelten Datenloggern ausgestattet. Diese Geräte zeichneten nicht nur die Gehirnaktivität auf, sondern auch GPS-Daten und andere relevante Informationen. Die Flughunde wurden in einem großen Zelt auf der Insel gehalten, um sich an ihre neue Umgebung zu gewöhnen, bevor sie nachts einzeln über die Insel flogen.
Die Aufzeichnungen der Nervenzellen ergaben, dass immer dann eine bestimmte Gruppe von Zellen aktiv wurde, wenn die Flughunde in eine bestimmte Richtung flogen. Dadurch entstand ein interner Kompass, der den Tieren anzeigte, in welche Richtung sie flogen. Diese kopfrichtungsabhängigen Zellen, die bereits in Laboruntersuchungen identifiziert wurden, funktionierten in der natürlichen Umgebung der Flughunde genauso zuverlässig.
Ein zentrales Ergebnis der Studie war die Erkenntnis, dass der neuronale Kompass der Flughunde global ausgerichtet ist. Das bedeutet, dass spezifische Zellen in ihrem Gehirn immer in die gleiche Richtung zeigen, unabhängig davon, wo sich der Flughund auf der Insel befindet oder welche Landmarken er sieht. Während der Bewegung von einer Küste zur anderen blieb die Richtung für den Kompass stabil; die Flughöhe und Geschwindigkeit hatten keinen Einfluss auf die Funktion des neuronalen Kompasses.
Zusätzlich untersuchten die Wissenschaftler, ob die Flughunde andere natürliche Orientierungshilfen wie den Sonnenstand oder die Position von Sternen nutzen. Die Messungen der Aktivität der Kopfrichtungszellen lieferten jedoch keine Hinweise darauf. Es wird jedoch angenommen, dass diese Himmelskörper möglicherweise zur Kalibrierung des neuronalen Kompasses verwendet werden.
Die Studienergebnisse sind nicht nur für das Verständnis der Navigation von Flughunden von Bedeutung, sondern können auch wertvolle Einblicke in die Funktionsweise von Navigationsmechanismen im menschlichen Gehirn liefern. Prof. Ulanovsky betont, dass die Erforschung solcher Mechanismen in komplexen natürlichen Umgebungen entscheidend ist, um zu verstehen, wie Navigationssysteme im Gehirn funktionieren und wie sie durch neurodegenerative Erkrankungen wie Alzheimer beeinträchtigt werden können.
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die beeindruckenden Fähigkeiten der Flughunde zur Navigation in der freien Natur auf einem hochentwickelten neuronalen Kompass beruhen, der sich von anderen bekannten Navigationsmethoden unterscheidet. Diese Entdeckung eröffnet neue Perspektiven für die Erforschung