
Die Antarktis ist nicht nur ein faszinierendes Ökosystem, sondern auch ein kritischer Ort für die marine Biodiversität. Eine Schlüsselart in diesem empfindlichen Nahrungsnetz ist der Antarktische Krill, der eine Biomasse von geschätzten 300 bis 500 Millionen Tonnen umfasst. Diese kleinen Krebstiere nehmen eine zentrale Rolle in der antarktischen Nahrungskette ein, da sie eine wichtige Nahrungsquelle für viele Tiere wie Robben, Pinguine und Wale darstellen. Angesichts der Bedeutung dieser Spezies hat ein internationales Forschungsteam unter der Leitung von Prof. Bettina Meyer vom Alfred-Wegener-Institut ein neues Konzept für das Management der Krillbestände vorgestellt, das sich auf die Zusammenarbeit mit der Fischereiindustrie stützt.
Die Internationale Kommission zur Erhaltung der lebenden Meeresschätze der Antarktis (CCAMLR) wird vom 20. bis 31. Oktober in Hobart, Australien, tagen, um über die zukünftige Regulierung der Krillfischerei zu diskutieren. Angesichts der zunehmenden menschlichen Aktivitäten in diesem Gebiet, darunter die gezielte Fischerei auf Krill für Aquakultur und Nahrungsergänzungsmittel, ist ein nachhaltiger Umgang mit dieser Ressource unerlässlich.
Die Fischerei auf Antarktischen Krill hat in den letzten Jahren zugenommen, und die Fangquoten sind hoch. Im Jahr 2024 wurden beispielsweise etwa 0,5 Millionen Tonnen Krill gefangen, was einem geschätzten Wert von bis zu 900 Millionen Dollar entspricht. Diese Fangquoten sind jedoch nur ein Teil des Problems. Die Regulierung der Fischerei basiert derzeit auf veralteten Daten, die nur eine einzige umfassende Erhebung der Krillbiomasse aus dem Jahr 2000 berücksichtigen. Prof. Meyer und ihr Team fordern daher eine Anpassung des Managements an die Herausforderungen des 21. Jahrhunderts, die auf aktuelleren und genaueren wissenschaftlichen Daten basieren.
Ein zentrales Element des neuen Konzepts ist die stärkere Einbindung der Fischereiindustrie in die Forschung. Jedes Fischereiboot ist seit 2020 verpflichtet, einen wissenschaftlichen Beobachter an Bord zu haben, der wichtige biologische Daten zu den gefangenen Krill erfasst. Diese Daten, die Informationen über Größe, Geschlecht und Reifegrad der Tiere umfassen, fließen jedoch bislang nicht in die laufenden Monitoring-Prozesse ein. Meyer schlägt vor, die Fischereiflotte als kostengünstige Forschungsplattform zu nutzen, um die in der Fischerei gewonnenen Daten für die Wissenschaft zugänglich zu machen.
Ein innovativer Ansatz besteht darin, dass einige Fischereiboote mittlerweile Pumpsysteme anstelle von Netzen verwenden, um den Krill an Bord zu transportieren. Dies ermöglicht eine präzisere Messung der Krillgröße und liefert wertvolle Daten, die in Kombination mit akustischen Informationen über die Verteilung der Krillschwärme und Beobachtungen von Raubtieren wie Walen und Robben ein umfassendes Bild der Krillpopulationen ergeben können.
Um die Zusammenarbeit zwischen Wissenschaft und Industrie zu fördern, schlägt das Forschungsteam einheitliche Protokolle für die Probennahme sowie regelmäßige Schulungen für die Fischer vor. Dies würde nicht nur die Qualität der gesammelten Daten verbessern, sondern auch dazu beitragen, sensible Lebensräume und Laichgebiete des Krills zu identifizieren und zu schützen.
Die Dringlichkeit dieser Maßnahmen wird durch die aktuelle Situation deutlich. Die Fangaktivitäten konzentrieren sich vor allem auf drei Hauptfanggebiete in der Nähe der Antarktischen Halbinsel, den Südlichen Orkneyinseln und Südgeorgien. Im Jahr 2024 wurde die maximal erlaubte Fangmenge in einem dieser Gebiete, dem Teilgebiet 48.1, überschritten, was die Stabilität der Krillpopulation und damit das gesamte marine Ökosystem gefährden könnte.
Prof. Meyer betont die Notwendigkeit eines pragmatischen Ansatzes: „Es wäre ideal, wenn in der Antarktis gar nicht gefischt würde. Angesichts der wirtschaftlichen Interessen der CCAMLR-Staaten ist dies jedoch unrealistisch. Wir müssen daher gemeinsam an einer nachhaltigen Lösung arbeiten.“
Durch die Kooperation mit der Fischerei kann das Monitoring der Krillbestände erheblich verbessert werden, was zu einer besseren Regulierung der Fangquoten und -zeiten führen könnte. Dies würde nicht nur die Krillpopulation schützen, sondern auch die gesamte marine Biodiversität in dieser einzigartigen Region der Erde unterstützen. Künftige Diskussionen bei der CCAMLR könnten entscheidend dafür sein, wie diese Ideen in die Praxis umgesetzt werden.