Ein interdisziplinäres Forschungsteam am Max-Planck-Institut für chemische Ökologie hat einen innovativen Ansatz entwickelt, der es ermöglicht, gleichzeitig die Genaktivität und die Stoffwechselprodukte in einer einzigen Pflanzenzelle zu untersuchen. Diese neuartige Methode kombiniert die Einzelzell-RNA-Sequenzierung (scRNA-seq) mit der Einzelzell-Massenspektrometrie (scMS). Durch diesen Fortschritt können Wissenschaftler nun die molekularen Grundlagen der Biosynthese von Naturstoffen, die für die Medizin von Bedeutung sind, besser verstehen.
Die Biosynthese von Naturstoffen in Pflanzen ist ein komplexer Prozess, der über verschiedene enzymatische Reaktionen abläuft, die in unterschiedlichen Zelltypen stattfinden. Diese Zellen sind jeweils auf spezifische Reaktionen spezialisiert, was bedeutet, dass die einzelnen Schritte der Biosynthese oft räumlich getrennt sind. Die Zwischenprodukte müssen von einer Zelle zur nächsten transportiert werden, während sich Metaboliten in hohen Konzentrationen anreichern können, um entweder gespeichert zu werden oder um das Gleichgewicht zwischen verschiedenen Stoffwechselwegen zu regulieren. Moonyoung Kang, eine der Hauptautoren der Studie, erklärt, dass diese Prozesse ein komplexes Stoffwechselnetzwerk bilden, das nur vollständig verstanden werden kann, wenn Genexpressions- und Stoffwechseldaten aus derselben Zelle integriert werden.
In der biologischen Forschung werden Gene häufig als Baupläne beschrieben, die einer Zelle Anweisungen geben, welche Produkte sie herstellen kann. Mit scRNA-seq können Forscher diese „Baupläne“ lesen und so erkennen, welche Stoffe eine Zelle theoretisch produzieren könnte. Im Gegensatz dazu liefert die Einzelzell-Massenspektrometrie (scMS) Informationen über die tatsächlichen Mengen der produzierten Stoffe in der Zelle. Um ein anschauliches Beispiel zu geben: Während scRNA-seq zeigt, welche Kleidungsstücke eine Fabrik herstellen kann, gibt scMS an, wie viele dieser Kleidungsstücke tatsächlich im Lager liegen. Ein hoher Lagerbestand könnte darauf hindeuten, dass die Produktion hoch ist, jedoch auch, dass es Verzögerungen im Transport gibt.
Das neuartige Forschungsprojekt, das unter der Leitung von Lorenzo Caputi und Sarah O’Connor steht, ermöglicht es den Wissenschaftlern, die Genexpression direkt mit der Häufigkeit von Metaboliten in einer Zelle in Verbindung zu bringen. Hierzu werden einzelne Zellen isoliert und in Mikrotiterplatten platziert. Ein Roboter transferiert jede Zelle einzeln in eine 96-Well-Platte, wo sie lysiert wird. Dadurch werden Gene, Proteine, Metaboliten und Organellen in eine wässrige Lösung freigesetzt. Diese Lösung wird dann in zwei Teile aufgeteilt: eines für die Genanalyse und das andere für die Stoffwechselanalyse.
Das Forschungsteam hat diese Methode am Madagaskar-Immergrün (Catharanthus roseus) getestet, einer Heilpflanze, aus der die Krebsmedikamente Vinblastin und Vincristin gewonnen werden. Die Biosynthese dieser Medikamente ist kompliziert und erfordert die Zusammenarbeit mehrerer Zelltypen. Die neue Methode soll dazu beitragen, wichtige Stoffwechselwege zu identifizieren und die Entdeckung neuer Zelltypen in anderen Heilpflanzen zu erleichtern.
Aktuell arbeitet das Team daran, mehrere Schritte des Verfahrens zu optimieren und Teile des Protokolls zu automatisieren, um die Reproduzierbarkeit zu erhöhen und die Versuchszeiten zu verkürzen. Zudem wird die kombinierte Analyse von Sequenz- und Metabolitdaten auf andere Pflanzenarten und Gewebe wie Blätter, Wurzeln und Stängel ausgeweitet. So sollen potenzielle Schwachstellen identifiziert und robustere Protokolle zur Probenvorbereitung entwickelt werden. Ein weiteres Ziel ist es, die Kosten pro Versuch zu senken, um diese Methode einer breiteren Forschergemeinschaft zugänglich zu machen.
Insgesamt wird durch diese innovative Forschung ein besseres Verständnis der pflanzlichen Stoffwechselprozesse ermöglicht, was potenziell die nachhaltige Herstellung pflanzlicher Arzneimittel in Zukunft unterstützen könnte.


















































