Die Dynamik der Erdbeben: Warum die Stärke variiert**

Die Dynamik der Erdbeben: Warum die Stärke variiert**

Erdbeben sind faszinierende, aber auch gefährliche Naturphänomene, die unser Verständnis von geophysikalischen Prozessen herausfordern. Die Frage, warum die Erde in unterschiedlichen Regionen und zu verschiedenen Zeiten unterschiedlich stark bebt, ist ein zentrales Thema in der Seismologie. Ein Team von Wissenschaftlern der Ruhr-Universität Bochum hat in einer aktuellen Studie herausgefunden, dass die Tiefe und Stärke von geologischen Verwerfungen einen entscheidenden Einfluss auf die Intensität von Erdbeben haben.

Wenn sich tektonische Platten langsam bewegen, baut sich entlang der Verwerfungen, den Spalten in der Erdkruste, eine enorme Spannung auf. Diese Spannung entsteht durch die unaufhörliche Bewegung der Erdplatten, die sich aufeinander zubewegen oder aneinander vorbeigleiten. Solange die Spannung die maximale Belastbarkeit der Verwerfung nicht überschreitet, bleibt sie unbemerkt. Doch wenn dieser kritische Punkt erreicht ist, wird die gespeicherte Energie in Form eines Erdbebens freigesetzt.

Eines der größten Herausforderungen in der Erdbebenforschung ist die Messung der Spannung, die sich vor einem Beben aufbaut. Die gängige Annahme, dass härtere Gesteine mehr Spannung aufbauen und freisetzen sollten, wurde jedoch bislang nicht schlüssig bestätigt. Die neue Studie der Bochumer Forscher zeigt nun, dass es tatsächlich einen Zusammenhang zwischen der Stärke und der Tiefe von Verwerfungen und der während eines Erdbebens freigesetzten Spannung gibt. Diese Erkenntnisse wurden am 29. Oktober 2025 in der Fachzeitschrift „Communications Earth & Environment“ veröffentlicht.

Die Forscher verwendeten seismologische Daten aus der Region Nordostjapan, die nach dem verheerenden Tohoku-Oki-Erdbeben von 2011 aufgezeichnet wurden. Diese Region gehört zu den seismisch aktivsten Gebieten der Welt und verfügt über ein umfangreiches Netzwerk hochpräziser seismischer Messstationen. Die Analyse der Daten über einen Zeitraum von elf Jahren ergab ein deutliches Muster: Je tiefer ein Erdbeben auftritt, desto größer ist der Spannungsabfall und desto mehr Energie wird während des Bebens freigesetzt.

Um diese Beobachtungen zu erklären, verglichen die Wissenschaftler ihre Ergebnisse mit numerischen Modellen, die die Kräfte innerhalb der Erdkruste simulieren. Der Vergleich ergab, dass der Spannungsabfall mit der maximalen Scherspannung zunimmt, also der größten seitlichen Kraft, die die Verwerfungen aushalten können, bevor sie brechen. Diese Erkenntnisse bieten eine physikalische Grundlage für den Zusammenhang zwischen der Tiefe eines Erdbebens und der während des Bebens freigesetzten Energie.

Die Bedeutung dieser Studie ist weitreichend. Sie liefert nicht nur eine Erklärung für bisher unklare Ergebnisse früherer Forschungen, sondern hilft auch, die relative Festigkeit der Erdkruste besser zu verstehen. Diese relative Festigkeit ist entscheidend, um das Verhalten von Verwerfungen und deren Reaktion auf Spannungen zu analysieren. Die Forscher weisen darauf hin, dass sich die Werte des Spannungsabfalls in den Jahren nach dem Tohoku-Oki-Erdbeben kaum verändert haben, was darauf hindeutet, dass die Festigkeit der Verwerfungen über längere Zeiträume konstant bleibt. Dies könnte wichtige Hinweise für das Verständnis von Nachbeben liefern.

Die Ergebnisse der Bochumer Studie eröffnen neue Perspektiven für die Erdbebenforschung und die Modellierung der mechanischen Eigenschaften der Erdkruste. Indem sie die Beziehung zwischen Spannung und Verwerfungstiefe aufzeigen, ermöglichen sie eine bessere Einschätzung der Risiken und helfen, zukünftige Erdbebenereignisse genauer vorherzusagen. Die Forscher hoffen, dass ihre Arbeit dazu beiträgt, die komplexen Prozesse hinter Erdbeben besser zu verstehen und letztlich die Sicherheit der von Erdbeben bedrohten Regionen zu erhöhen.