Die Rolle von Rehen in der Waldentwicklung ist ein bedeutendes Thema, das von Forschern der Julius-Maximilians-Universität Würzburg (JMU) untersucht wurde. In einer aktuellen Studie im Journal of Applied Ecology wird aufgezeigt, dass Rehe die natürliche Verjüngung von Laubwäldern erheblich behindern, was weitreichende Auswirkungen auf die Baumartenvielfalt hat. Diese Erkenntnisse sind besonders relevant, da eine hohe Baumartenvielfalt als Schlüssel zur Anpassung der Wälder an den Klimawandel gilt.
Die Wissenschaftler führten über einen Zeitraum von vier Jahren ein Freilandexperiment im Würzburger Universitätswald durch. Hierbei wurden sowohl eingezäunte als auch nicht eingezäunte Flächen von 36 Quadratmetern in Bereichen mit starkem Licht und in schattigen Waldbereichen angelegt. Das Ziel war es, den Einfluss von Licht und Rehverbiss auf die Baumartenvielfalt zu analysieren. Die Ergebnisse waren eindeutig: Das zusätzliche Licht, das nach Störungen wie Stürmen oder Trockenperioden in die Wälder fiel, konnte den negativen Einfluss des Rehverbisses nicht ausgleichen.
Ludwig Lettenmaier, ein Doktorand der Universität, beschreibt, dass trotz der idealen Bedingungen, die durch Licht in den offenen Kronenlücken geschaffen wurden, die Baumartenvielfalt auf den nicht eingezäunten Flächen nicht zunahm. Vielmehr blieben die Artenvielfalt und das Wachstum der Bäume dort auf dem Niveau der schattigen Bereiche. Dies zeigt, dass der selektive Fraß durch die Rehe eine entscheidende Rolle in der Waldentwicklung spielt. Besonders betroffen sind Baumarten bis zu einer Höhe von 1,3 Metern, die häufig von den Rehen gefressen werden. Während in dieser Zone potenziell viele Baumarten wachsen könnten, schafften es nur wenige, sich über diese kritische Höhe hinaus zu entwickeln. Dies führte zu einer signifikanten Reduzierung der Baumartenvielfalt, und zwar unabhängig von den Lichtverhältnissen.
Die Forscher betonen, dass die Vorlieben der Rehe für bestimmte Baumarten zu einer Homogenisierung der Waldbestände führen. Da die Rehdichte im Universitätswald typisch für viele bayerische Laubwälder ist, sind ähnliche Effekte auch in anderen Regionen zu erwarten. Dies hat erhebliche Konsequenzen für das Waldmanagement, insbesondere nach Störungen. In der frühen Entwicklungsphase eines Waldes entscheidet sich, welche Baumarten sich durchsetzen und somit die langfristige Baumartenzusammensetzung bestimmen. Wenn in diesen ersten Jahren vor allem weniger schmackhafte Arten überleben, kann dies die zukünftige Artenvielfalt stark einschränken.
Um die natürliche Baumartenvielfalt in Wäldern zu fördern, empfehlen die Forscher, Flächen, in denen Rehdichten nicht ausreichend reguliert werden können, für mehrere Jahre einzuzäunen. Dies würde es den Bäumen ermöglichen, sich ohne den Druck durch die Rehe zu entwickeln. Die Ergebnisse der Studie bieten wertvolle Einblicke in die Wechselwirkungen zwischen Lichtverhältnissen und Rehverbiss und unterstreichen die Notwendigkeit eines integrativen Wildtier- und Waldmanagements.
Zukünftige Forschungsprojekte werden sich darauf konzentrieren, wie Rehverbiss und Lichtverhältnisse die Vegetation im Unterwuchs beeinflussen und welche Auswirkungen dies auf zentrale Ökosystemfunktionen hat. Dazu gehören unter anderem der Holzabbau, die mikrobielle Bodenatmung, die Populationsdynamik von Regenwürmern und die Vielfalt der Gliederfüßer.
Die Zusammenarbeit zwischen Forschern der Universität Würzburg und anderen Institutionen, wie dem German Centre for Integrative Biodiversity Research (iDiv) sowie den Universitäten Göttingen, Oslo und Zürich, zeigt die Komplexität und die Herausforderungen, die mit der Erhaltung der Baumartenvielfalt in unseren Wäldern verbunden sind. Die Förderung dieser Arbeit durch den Europäischen Fonds für regionale Entwicklung und die Deutsche Forschungsgemeinschaft hebt zudem die Relevanz dieser Studien für die zukünftige Waldnutzung und -pflege hervor.
Insgesamt verdeutlicht die Forschung, dass die Beziehung zwischen Licht und Rehverbiss nicht getrennt betrachtet werden kann, wenn es um die Resilienz und die Zukunft unserer Wälder geht.


















































