Am Matterhorn, einem der ikonischsten Berge der Alpen, haben Wissenschaftler des WSL-Instituts für Schnee- und Lawinenforschung (SLF) alarmierende Ergebnisse zur Stabilität von Gesteinsformationen im Permafrost präsentiert. Ihre Studien zeigen, wie Schmelzwasser, das in die Felsen eindringt, zur Instabilität des Gesteins führt – ein Phänomen, das als direkte Folge des Klimawandels interpretiert wird.
Die Forschung wurde durch ein dramatisches Ereignis am 13. Juni 2023 inspiriert, als ein freistehender Felspfeiler am Hörnligrat, dem bekanntesten Zugang zum Matterhorn, zusammenbrach. Bei diesem Vorfall stürzten etwa 20 Kubikmeter Gestein ab, glücklicherweise ohne Personen zu verletzen. Vor dem Abbruch hatte über Jahre hinweg Wasser während der Schneeschmelze in die Felsklüfte unterhalb des Pfeilers gelangt, was zur vorübergehenden Aufheizung und Schwächung des Gesteins führte.
Laut Dr. Samuel Weber, einem der führenden Forscher des SLF, sind solche Ereignisse mittlerweile häufige Folgen des Klimawandels. Die steigenden Temperaturen führen zu einer schnelleren Schmelze des Permafrosts, was wiederum die Häufigkeit von Steinschlägen in hochalpinen Regionen erhöht. Um die Ursachen dieser Instabilität besser zu verstehen, beobachteten die Wissenschaftler den Felspfeiler über einen Zeitraum von neun Jahren. Ein hochpräziser GNSS-Empfänger wurde eingesetzt, um jede Bewegung des Pfeilers millimetergenau zu registrieren. Diese Daten wurden mit seismischen Signalen, Zeitrafferaufnahmen und Laseraufnahmen verglichen, um ein umfassendes Bild der dynamischen Veränderungen zu erhalten.
Ein zentrales Ergebnis der Studien ist die Erkenntnis, dass das Auftauen des Permafrosts den kritischen Reibungswinkel, bei dem Gesteinsmassen in Bewegung geraten können, erheblich reduziert. Dies wurde in einem computergestützten Modell nachvollzogen, das die gemessenen Bewegungen am Matterhorn genau simulierte.
Die Instabilität des Gesteins wird durch mehrere Faktoren verstärkt. Das im Permafrost enthaltene Eis, das als Versiegelung fungiert, schmilzt durch die steigenden Temperaturen, wodurch Wasser in tiefere Gesteinsschichten eindringen kann. Dieses Wasser erhöht den Druck auf das Gestein und fördert gleichzeitig eine Erwärmung im Untergrund. Diese Prozesse führen zu einer Kettenreaktion, bei der das Auftauen des Permafrosts und des Eises weiter beschleunigt wird, was den Weg für noch mehr Wasser und Wärme in die Tiefe öffnet. Weber stellt fest, dass dies die Reibung an den Bruchstellen um bis zu 50 Prozent verringert, was das Gestein zusätzlich schwächt und die Gefahr von Abbrüchen erhöht.
Die Beobachtungen am Hörnligrat zeigen, dass sich der Felspfeiler im Laufe der Jahre langsam neigte, jedoch ab 2022 eine beschleunigte Bewegung auftrat. Zeitrafferaufnahmen belegten, dass in den zehn Tagen vor dem Abbruch eine deutliche Zunahme der Bewegung festzustellen war. Seismometer in der Umgebung lieferten ergänzende Daten, die auf eine dynamische Veränderung hinwiesen. Wetterdaten und Temperaturmessungen im Permafrost legen nahe, dass das eindringende Wasser entscheidend für das plötzliche und kurzfristige Auftauen des Gesteins war, was schließlich zum Abbruch führte.
Um die Risiken von Felsstürzen im Permafrost besser einschätzen zu können, plant Weber, die Wechselwirkungen zwischen Temperatur, Wasser und Eis im gefrorenen Gestein weiter zu untersuchen. Hierzu wird eine Kombination verschiedener Messmethoden eingesetzt, um ein umfassenderes Verständnis der Mechanismen zu gewinnen, die zur Instabilität der Gesteinsformationen führen. Diese Forschung ist nicht nur für die Sicherheit von Bergsteigern und Wanderern von Bedeutung, sondern trägt auch dazu bei, die Auswirkungen des Klimawandels auf alpine Ökosysteme zu beleuchten.
Die Ergebnisse dieser Studie verdeutlichen die dringende Notwendigkeit, die Zusammenhänge zwischen Klimawandel und geologischen Prozessen zu erforschen, um geeignete Maßnahmen zur Risikominderung in hochalpinen Regionen zu entwickeln.


















































