Die Erforschung von biologischen Gemeinschaften in verschiedenen Ökosystemen ist ein entscheidendes Anliegen der modernen Ökologie. Ein Team von Wissenschaftlern der Universität Konstanz hat nun innovative Technologien eingesetzt, um ein ökologisches Modell zu erweitern und dessen Vorhersagekraft zu bestätigen. Durch den Einsatz von Laborrobotern, Künstlicher Intelligenz (KI) und Computersimulationen konnten die Forscher ein mechanistisches Modell entwickeln, das es ermöglicht, die Zusammensetzung von Artengemeinschaften in unterschiedlichen Lebensräumen präzise vorherzusagen.
Biologische Gemeinschaften sind oft instabil; ihre Strukturen verändern sich kontinuierlich in Abhängigkeit von den jeweiligen Umweltbedingungen. Diese Veränderungen können so gravierend sein, dass einzelne Arten aus der Gemeinschaft verschwinden. Um solche Entwicklungen besser zu verstehen und vorherzusagen, greifen Wissenschaftler auf ökologische Modelle zurück. Besonders effektiv sind mechanistische Modelle, die grundlegende biologische Prozesse mathematisch abbilden. Diese Modelle haben das Potenzial, die Zusammensetzung von Artengemeinschaften in verschiedenen Lebensräumen zuverlässig zu prognostizieren.
Die Frage, ob diese Modelle auch empirisch überprüfbar sind, stand im Mittelpunkt der aktuellen Studie. Die Forscher aus Konstanz wählten Süßwasseralgen als Untersuchungsobjekt und erweiterten ein bestehendes Konsumenten-Ressourcen-Modell, das sie in der Fachzeitschrift Nature Communications publizierten. Ihre Erkenntnisse könnten weitreichende Anwendungen finden, von natürlichen Ökosystemen wie Planktongemeinschaften im Ozean bis hin zu künstlich geschaffenen Gemeinschaften, die in biotechnologischen Prozessen zum Einsatz kommen.
Die Grundlagen der Studie reichen bis in die 1960er Jahre zurück, was die Frage aufwirft, warum eine experimentelle Überprüfung erst jetzt möglich wurde. Lutz Becks, Professor für Limnologie an der Universität Konstanz und Leiter der Studie, erklärt, dass es zwar bereits frühere Versuche gab, diese jedoch oft nur Teilaspekte beleuchteten. Um das Modell umfassend zu erweitern, waren zahlreiche Experimente notwendig, die nur mit moderner Labortechnik in einem akzeptablen Zeitraum durchgeführt werden konnten.
Für den ersten Schritt der Untersuchung, der die Ermittlung des Nährstoffbedarfs und -verbrauchs verschiedener Algenarten betraf, waren insgesamt 864 Wachstumsexperimente erforderlich. Dank der hochmodernen Laborausstattung konnten diese Experimente effizient durchgeführt werden. Ein Laborroboter übernahm das Ansetzen der einzelnen Monokulturen, während ein Hochdurchsatzmikroskop die Auszählung der Algen automatisierte. In späteren Experimenten, in denen die Algenarten unterschieden werden mussten, kam zusätzlich eine KI zum Einsatz, die die Artenbestimmung unterstützte.
Durch die Analyse der gewonnenen Daten konnte das bestehende Modell erweitert werden. Das ursprüngliche Modell berücksichtigte bereits Faktoren, die das Wachstum von Arten begrenzen. Mit den neuen Daten konnten die Forscher den Ressourcenverbrauch als weiteren Parameter integrieren. Anschließend führten sie 960 weitere Experimente durch, in denen sie die zuvor untersuchten Algenarten in verschiedenen Kombinationen und unter unterschiedlichen Nährstoffbedingungen zusammenbrachten. Die beobachteten Veränderungen in diesen Gemeinschaften wurden dann mit den Vorhersagen des Modells verglichen, was zu äußerst genauen Ergebnissen führte.
Ein wichtiger Aspekt der Studie war die Überprüfung zweier ökologischer Regeln, die vom Biologen David Tilman formuliert wurden. Diese Regeln erklären, wie Arten im Wettbewerb um begrenzte Ressourcen koexistieren oder sich verdrängen. Die Simulationen, die auf dem neuen Modell basierten, zeigten, dass nur die erste Regel universell gilt, während die zweite Regel nur dann zutrifft, wenn die Arten um ersetzbare Ressourcen konkurrieren.
Die Ergebnisse dieser Forschung haben nicht nur theoretische Bedeutung, sondern könnten auch praktische Anwendungen im Bereich des Klimaschutzes finden. In einem aktuellen Projekt zur CO2-Speicherung durch Phytoplankton, gefördert von der Vector Stiftung, soll der entwickelte Ansatz genutzt werden, um Phytoplanktongemeinschaften zu identifizieren, die robust gegenüber Umweltveränderungen sind. Diese stabilen Gemeinschaften könnten in der Lage sein, CO2 aus der Atmosphäre aufzunehmen und zu speichern, auch unter variierenden Umweltbedingungen.
Insgesamt zeigt die Studie eindrucksvoll, wie moderne Technologien und innovative Ansätze in der Ökologie zusammenwirken können, um komplexe biologische Prozesse besser zu verstehen und vorherzusagen.


















































