Ein internationales Forschungsteam der Goethe-Universität hat durch präzise Messungen und innovative Computermodellierungen eine bislang unbekannte Quelle für das klimaschädliche Gas Schwefelhexafluorid (SF6) in Süddeutschland identifiziert. Diese Emissionsquelle war in der bisherigen deutschen Klimabilanz nicht erfasst. SF6 ist ein chemisch sehr stabiles, geruch- und farbloses Gas, das vor allem in der elektrischen Energieversorgung als Isolier- und Schutzgas verwendet wird. In der Vergangenheit fand es auch Anwendung als Füllgas in Sportschuhen und in Schallschutzfenstern, was jedoch 2006 aufgrund seiner schädlichen Eigenschaften eingestellt wurde.
Schwefelhexafluorid gilt als das potenteste Treibhausgas, da ein Kilogramm SF6 den gleichen Treibhauseffekt verursacht wie etwa 24 Tonnen Kohlenstoffdioxid (CO2). Aufgrund dieser hohen Klimawirkung sind Staaten verpflichtet, ihre Emissionen dieses Gases regelmäßig an die Vereinten Nationen zu melden. Bisher wurde angenommen, dass der Großteil der deutschen SF6-Emissionen aus der Entsorgung alter Schallschutzfenster stammt, bei denen das Gas freigesetzt wird.
Die Forscher der Goethe-Universität, angeführt von Professor Andreas Engel, haben jedoch herausgefunden, dass die tatsächlichen Emissionen aus einer Region in Südwestdeutschland deutlich höher sind als vermutet. Am Taunus Observatorium, das seit 2023 Teil des internationalen Messnetzwerks AGAGE (Advanced Global Atmospheric Gas Experiment) ist, wurden die höchsten SF6-Konzentrationen in Europa registriert. „Besonders auffällig sind die hohen Werte bei südlicher Windströmung“, erklärt Engel.
Im Rahmen einer vom Umweltbundesamt geförderten Studie wurde die Emissionssituation genauer untersucht. Die Wissenschaftler fanden heraus, dass die höchsten Konzentrationen in Luftproben des ICOS-Netzwerks (Integrated Carbon Observation System) aus Karlsruhe zu verzeichnen waren. Dank atmosphärischer Transportmodelle und inverser Modellierung konnten sie die Emissionen regional zuordnen. Überraschenderweise stammten etwa 30 Tonnen SF6 pro Jahr aus der Region Heilbronn, was rund einem Drittel der gesamten deutschen SF6-Emissionen entspricht.
Obwohl diese Menge im globalen Kontext von etwa 8000 Tonnen SF6-Emissionen, zu denen allein China mit etwa 5000 Tonnen pro Jahr beiträgt, relativ gering erscheint, ist die regionale Verteilung der Emissionen bemerkenswert. Bisherige Annahmen, die die Emissionen hauptsächlich der Entsorgung alter Schallschutzfenster zuschrieben, könnten somit überdacht werden. Die einzige bekannte Produktions- und Recyclinganlage für SF6 in Europa befindet sich in der betroffenen Region, was die Ergebnisse der Studie weiter verstärkt.
Die Hauptautorin der Studie, Katharina Meixner, hebt hervor, dass es wichtig ist, die Quellen der Emissionen genau zu kennen, um eine korrekte Bilanzierung und gezielte Maßnahmen zur Reduzierung von Treibhausgasen zu ermöglichen. Professor Engel weist darauf hin, dass frühere Studien gezeigt haben, dass die Emissionen bei der Herstellung, Nutzung und dem Recycling solcher hochflüchtigen Stoffe oft höher sind als ursprünglich angenommen.
Diese Erkenntnisse tragen dazu bei, die bisherigen Emissionsschätzungen, die hauptsächlich auf theoretischen Annahmen basieren, durch empirische Daten zu validieren und zu ergänzen. Neben SF6 erforscht das Team auch andere halogenierte Treibhausgase und ozonabbauende Substanzen. Die Resultate dieser Studie wurden in der Fachzeitschrift ACS Environmental Science & Technology – Air veröffentlicht und könnten weitreichende Auswirkungen auf die zukünftige Klimapolitik haben.
Das Verständnis der Emissionsquellen ist entscheidend für effektive Umweltstrategien. Angesichts der globalen Klimakrise wird es immer wichtiger, präzise Daten zu sammeln und zu analysieren, damit effektive Maßnahmen zur Emissionsreduktion ergriffen werden können.
