Eine aktuelle Studie von Forschenden des Exzellenzclusters „Balance of the Microverse“ an der Friedrich-Schiller-Universität Jena und dem Leibniz-HKI, in Kooperation mit internationalen Partnern, hat interessante Erkenntnisse über die Funktionsweise unseres Mikrobioms und dessen Einfluss auf die Verarbeitung gesunder Pflanzenstoffe geliefert. Diese Forschung legt nahe, dass die Ernährungsbedürfnisse und -reaktionen von Menschen sehr unterschiedlich sind und auf einer individuellen Basis betrachtet werden sollten. Die Entdeckung dieser Unterschiede könnte den Weg für maßgeschneiderte Ernährungspläne ebnen, die effizienter wirken und auf die spezifischen Bedürfnisse des Einzelnen abgestimmt sind.
Das menschliche Mikrobiom, oft als „unsichtbare chemische Fabrik“ bezeichnet, spielt eine zentrale Rolle bei der Verstoffwechselung von Nahrungsmitteln. Viele gesunde Verbindungen aus Lebensmitteln wie Obst, Gemüse oder Nüssen sind nicht sofort in ihrer wirksamen Form verfügbar. Erst durch die Arbeit von Mikroben im Darm werden diese Nährstoffe chemisch umgewandelt, was als eine Art „zweite Verdauung“ beschrieben werden kann. Die Forscher haben in ihrer Studie 775 verschiedene Phytonährstoffe und die Enzymaktivitäten von Darmbakterien analysiert und festgestellt, dass im Durchschnitt etwa 70 Prozent der Enzyme im Mikrobiom an dieser Umwandlung beteiligt sind – eine Zahl, die die bisherigen Annahmen übertrifft.
Ein entscheidender Punkt der Studie ist die Feststellung, dass das „chemische Kochbuch“ der Darmbakterien von Mensch zu Mensch variieren kann. Diese Variation ist nicht nur genetisch bedingt, sondern wird auch von Faktoren wie der geografischen Herkunft und den individuellen Essgewohnheiten beeinflusst. Prof. Dr. Gianni Panagiotou, der an der Studie beteiligt ist, hebt die Bedeutung der interdisziplinären Zusammenarbeit hervor. Nur durch den Austausch von Wissen zwischen Bioinformatikern, Chemikern, Mikrobiologen und anderen Fachrichtungen konnten die Forscher die Komplexität und Dynamik des Mikrobioms detailliert erfassen.
Besonders alarmierend ist, dass bei Menschen mit chronischen Erkrankungen wie entzündlichen Darmerkrankungen, Darmkrebs oder nicht-alkoholischer Fettleber die Fähigkeit des Mikrobioms zur Verarbeitung gesunder Nahrungsmittel signifikant eingeschränkt sein kann. Mittels Künstlicher Intelligenz verglichen die Forscher die Enzymprofile von gesunden und kranken Individuen und entdeckten, dass besonders bei Krebspatienten bestimmte Enzyme zur Verarbeitung von Nahrungsstoffen fehlen, die bei gesunden Menschen in größerer Zahl vorhanden sind. Dies könnte erklären, warum allgemeine Ernährungsempfehlungen bei chronisch Kranken oft nicht die gewünschten Ergebnisse erzielen.
Um die Wechselwirkungen zwischen Mikrobiom und Ernährung besser zu verstehen, nutzten die Wissenschaftler moderne bioinformatische Methoden und analysierten über 5.500 menschliche Darm-Mikrobiome aus verschiedenen Regionen der Welt. In Laborversuchen wurden vielversprechende Bakterienstämme getestet, um die vorhergesagten Umwandlungsreaktionen zu validieren. Die Ergebnisse dieser Studie könnten der Schlüssel zu einer neuen Ära der Ernährungsmedizin sein, in der individuelle Mikrobiom-Analysen dazu beitragen, personalisierte Ernährungskonzepte zu entwickeln.
Ziel der Forschung ist es, dem Mikrobiom die notwendigen Nährstoffe bereitzustellen oder es durch gezielte Probiotika zu unterstützen, die über die fehlenden Enzyme verfügen. Solche personalisierten Ansätze könnten nicht nur die allgemeine Gesundheit verbessern, sondern auch die Therapie von chronischen Erkrankungen unterstützen.
Die Ergebnisse der Studie verdeutlichen, dass ein ausgewogenes Mikrobiom nicht nur in seiner Zusammensetzung, sondern auch in seiner Fähigkeit zur chemischen Verstoffwechselung von Nahrungsmitteln für unsere Gesundheit von entscheidender Bedeutung ist. Diese Erkenntnisse könnten dazu beitragen, gezielte Interventionen zu entwickeln, die das Mikrobiom fördern und die Gesundheit des Einzelnen verbessern.
