Die Lebensbedingungen für den Atlantischen Lachs in den Flüssen Elbe und Mulde sind stark von historischen Entwicklungen geprägt. Eine neue Studie der Universität Leipzig verdeutlicht, wie menschliche Eingriffe im Laufe der Geschichte die Lebensräume dieses wichtigen Fischs nachhaltig beeinflusst haben. Der Atlantische Lachs war früher in vielen Flüssen Mitteleuropas heimisch, verschwand jedoch im 19. Jahrhundert aus der Mulde und ihren Nebenflüssen. Trotz verschiedener Wiederansiedlungsversuche in den letzten Jahrzehnten blieben die Erfolge bisher begrenzt. Die Wissenschaftler der Universität Leipzig wollen durch ihre Untersuchungen die historischen Ursachen besser verstehen und daraus wichtige Erkenntnisse für den Gewässerschutz ableiten.
Ein interdisziplinäres Forschungsteam bestehend aus Geographen, Historikern und Archäologen hat historische Karten aus dem 18. und 19. Jahrhundert analysiert. Sie untersuchten die Veränderungen in den Flussläufen, die Errichtung von Barrieren und die Entwicklung der Landnutzung in den Auen der Mulde und ihrer Nebenflüsse. Dabei stellte sich heraus, dass künstliche Barrieren wie Wehre und Dämme sowie eine intensivere Landnutzung in den Auen einen signifikanten Einfluss auf den Rückgang der Lachsbestände hatten. Gleichzeitig war evident, dass natürliche Flussverläufe mit einer hohen Vielfalt an Gerinnebettmustern im 18. und 19. Jahrhundert mit einer höheren Wahrscheinlichkeit für Lachsvorkommen korrelierten.
Laut Martin Offermann, Doktorand und Archäologe an der Universität Leipzig, zeigen die Analysen, dass die Beeinträchtigung der Flussbetten und die Zerschneidung von Wanderkorridoren bereits vor mehr als 200 Jahren begannen. Diese langfristigen Veränderungen der Gewässerstruktur haben den Lebensraum des Lachses erheblich eingeengt. Solche Bedingungen erschweren auch heute noch die Bemühungen zur Wiederansiedlung dieser Fischart. Dr. Michael Hein und Professor Dr. Christoph Zielhofer, die die geographischen Aspekte der Studie leiteten, betonen die Bedeutung dieser Erkenntnisse für den heutigen Gewässerschutz: „Die Erkenntnisse aus der Studie sind entscheidend, um die Herausforderungen bei der Wiederansiedlung des Lachses zu verstehen und gezielt Lösungen zu entwickeln.“
Die Forscher digitalisierten die historischen Flussverläufe, insbesondere die Sächsischen Meilenblätter (1780–1821) und die Von Deckerschen Quadratmeilenblätter (1816–1821), um die damals vorhandenen Barrieren, Veränderungen des Gerinnebetts und die Intensität der Landnutzung in den Flussauen zu erfassen. Diese Faktoren wurden als Indikatoren für die Gewässerverschmutzung und die Lebensraumqualität des Lachses identifiziert. Die Studie zeigt klar, dass historische Landschaftsnutzungen und Flussregulierungen langfristige Auswirkungen auf die ökologische Vielfalt haben.
Die Ergebnisse dieser Forschung unterstreichen die Notwendigkeit, bei Renaturierungsmaßnahmen nicht nur die aktuellen, sondern auch die historischen Veränderungen in Betracht zu ziehen. Nur so kann der Lebensraum für wandernde Fischarten wie den Atlantischen Lachs nachhaltig verbessert werden. Dies ist besonders wichtig, da die Erhaltung der Biodiversität und die Wiederherstellung natürlicher Lebensräume zunehmend an Bedeutung gewinnen.
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die Lebensbedingungen für den Lachs in der Elbe und Mulde nicht nur durch gegenwärtige Umwelteinflüsse, sondern auch durch die historische Entwicklung der Flüsse und ihrer Umgebung geprägt sind. Die Erkenntnisse der Universität Leipzig bieten wertvolle Hinweise darauf, wie historische Eingriffe in die Natur langfristige Konsequenzen haben und wie wichtig es ist, diese Aspekte bei zukünftigen Naturschutzmaßnahmen zu berücksichtigen. Der Atlantische Lachs, einst ein Symbol für die Vielfalt der mitteleuropäischen Gewässer, könnte durch gezielte Renaturierung und Berücksichtigung der historischen Gegebenheiten wieder in seine angestammten Lebensräume zurückkehren.
