Die Ernährung von Korallen: Eine Neubewertung der Heterotrophie**

Die Ernährung von Korallen: Eine Neubewertung der Heterotrophie**

Korallen sind faszinierende Lebewesen, die für die Stabilität und Biodiversität mariner Ökosysteme von entscheidender Bedeutung sind. Sie beziehen ihre Energie aus zwei Hauptquellen: der Photosynthese, die durch symbiotische Algen in ihrem Gewebe erbracht wird, und der direkten Nahrungsaufnahme aus dem Wasser, die als Heterotrophie bezeichnet wird. Trotz der offensichtlichen Bedeutung beider Quellen wurde die Rolle der Heterotrophie in der Energieversorgung von Korallen in der wissenschaftlichen Gemeinschaft oft unterschätzt. Eine neue Studie, die im Fachjournal Communications Biology veröffentlicht wurde, beleuchtet diese Thematik und zeigt auf, wie wichtig die direkte Nahrungsaufnahme für das Überleben der Korallen ist.

Die Forschung, an der auch das Leibniz-Zentrum für Marine Tropenforschung (ZMT) beteiligt ist, hat ergeben, dass die klassischen Methoden zur Messung der Nahrungsaufnahme von Korallen nicht immer ein vollständiges Bild vermitteln. Bisher wurde der Beitrag der Heterotrophie meist durch die Analyse von Kohlenstoffisotopen im Korallengewebe geschätzt. Die Ergebnisse dieser neuen Studie legen jedoch nahe, dass diese Methode die tatsächliche Nahrungsaufnahme erheblich unterschätzt, da der aufgenommene Kohlenstoff oft schnell wieder ausgeschieden oder veratmet wird.

Für die Forschung wurde die häufig untersuchte Steinkoralle Stylophora pistillata gewählt, die in tropischen Riffen weit verbreitet ist. In einem Experiment, das im Interuniversity Institute for Marine Sciences in Eilat, Israel, durchgeführt wurde, wurden verschiedene Fütterungsszenarien getestet. Die Korallen wurden über einen Zeitraum von 22 Tagen unterschiedlichen Fütterungsstrategien ausgesetzt, darunter sowohl unregelmäßige als auch regelmäßige Fütterungen mit frisch gezüchteten Larven von Salinenkrebsen. Parallel dazu wurden physiologische Parameter wie die Photosyntheseleistung und das Wachstum der Korallen gemessen.

Die Ergebnisse zeigten, dass die Korallen Nährstoffe aus der Nahrung nicht gleichmäßig aufnehmen. Besonders auffällig war, dass Stickstoff in viel größerem Maße in das Gewebe der Korallen integriert wird als Kohlenstoff. Kohlenstoff hingegen wird häufig wieder abgegeben oder veratmet. Dies führt zu der Erkenntnis, dass herkömmliche Methoden zur Analyse der Nahrungsaufnahme, die sich auf Kohlenstoffisotope stützen, den tatsächlichen Beitrag der Heterotrophie stark unterschätzen.

Eine Kombination aus verschiedenen Messmethoden, einschließlich der Analyse von Stickstoffisotopen und Fettsäureprofilen, erwies sich als deutlich effektiver, um den tatsächlichen Nährstoffbeitrag zu erfassen. Die Studie belegt, dass die Nutzung dieser robusteren Marker essenziell ist, um ein realistisches Bild der Nahrungsaufnahme von Korallen zu erhalten. Dies ist besonders wichtig für das Verständnis der Resilienz von Korallenriffen in Zeiten des Klimawandels, da steigende Wassertemperaturen und Ozeanversauerung erhebliche Herausforderungen darstellen.

Die Erkenntnisse aus dieser Forschung haben weitreichende Implikationen für den Schutz von Korallenriffen. Ein besseres Verständnis der Ernährungsstrategien von Korallen könnte dazu beitragen, Vorhersagen über deren Überlebensfähigkeit in nährstoffarmen Meeresregionen zu verbessern. Insbesondere in Zeiten von Umweltstress, wie nach einer Korallenbleiche, könnte die Fähigkeit zur Heterotrophie entscheidend sein. Wenn Korallen in der Lage sind, durch verstärkte Nahrungsaufnahme Energie- und Nährstoffverluste auszugleichen, könnten sie besser mit Stresssituationen umgehen.

Fazitierend lässt sich sagen, dass die Rolle der Heterotrophie in der Ernährung von Korallen viel bedeutender ist, als bisher angenommen. Diese Erkenntnisse sollten bei der Planung von Schutzmaßnahmen und Restaurationsprojekten für Korallenriffe berücksichtigt werden. Zukünftige Forschungen sollten sich darauf konzentrieren, die Zusammenhänge zwischen den Ernährungsgewohnheiten von Korallen und der Dynamik ihrer symbiotischen Algen zu vertiefen. Ein umfassendes Verständnis dieser Beziehungen wird entscheidend sein, um die Stabilität und Gesundheit der Korallenriffe in einer sich schnell verändernden Umwelt zu sichern.