Die Wahrnehmung von Tieren durch den Menschen: Einblicke in Gedanken und Gefühle**

Die Wahrnehmung von Tieren durch den Menschen: Einblicke in Gedanken und Gefühle**

Die Frage, ob Tiere in der Lage sind zu denken und zu fühlen, hat in der Wissenschaft und Gesellschaft großen Einfluss darauf, wie wir mit ihnen umgehen. Ein internationales Forschungsteam unter der Leitung von Wissenschaftlern der Universität Leipzig hat kürzlich untersucht, wie Menschen aus verschiedenen Kulturen und Altersgruppen Tiere wahrnehmen. Die Ergebnisse dieser Studie zeigen, dass es überraschend viele Gemeinsamkeiten in der Wahrnehmung von Tieren gibt, sowohl bei Kindern als auch bei Erwachsenen.

In der Forschung wird häufig die Annahme vertreten, dass Tiere emotionale und kognitive Fähigkeiten besitzen. Die große Mehrheit der Befragten, darunter mehr als 1.000 Kinder im Alter von 4 bis 17 Jahren und fast 200 Erwachsene aus 33 Gemeinschaften in 15 verschiedenen Ländern, ist sich einig, dass Tiere in der Lage sind, zu fühlen und zu denken. Jedoch gibt es einen bemerkenswerten Konsens darüber, dass die Gedanken und Gefühle von Tieren sich grundlegend von den menschlichen unterscheiden.

Die Ergebnisse dieser Studie, geleitet von Prof. Dr. Katja Liebal von der Universität Leipzig und Prof. Dr. Daniel Haun vom Max-Planck-Institut für evolutionäre Anthropologie, zeigen, dass der Glaube an die Einzigartigkeit menschlichen Denkens tief verwurzelt ist. Die Forscher fanden heraus, dass der Großteil der Befragten überzeugt ist, dass Tiere grundlegende emotionale und kognitive Fähigkeiten besitzen, jedoch nicht dieselbe Art von komplexen Gedanken und Überlegungen wie Menschen. Diese Überzeugung, dass Menschen mental einzigartig sind, scheint sowohl bei Kindern als auch bei Erwachsenen stabil zu bleiben.

Ein zentrales Ergebnis der Studie ist die Erkenntnis, dass die Zuschreibung von mentalen Fähigkeiten an Tiere entscheidend für ihren moralischen Status ist. Menschen neigen dazu, Tiere, die sie als empfindungsfähig oder menschenähnlich wahrnehmen, zu schützen und ihnen mehr Aufmerksamkeit zu schenken. Dies hat tiefgreifende Auswirkungen auf den Umgang mit Tieren in verschiedenen Kontexten, etwa in der Landwirtschaft oder im Tierschutz. Während einige Tierarten, insbesondere Säugetiere, oft viel Unterstützung und Schutz erfahren, bleiben andere, wie Insekten, häufig unbeachtet, obwohl sie ebenfalls unter den Folgen des Artensterbens und des Verlusts der biologischen Vielfalt leiden.

Ein weiterer interessanter Aspekt der Studie ist der Unterschied in der Wahrnehmung von Tieren zwischen städtischen und ländlichen Kindern. Die Forscher beobachteten, dass Kinder aus städtischen Gebieten tendenziell eher geneigt sind, Tieren Gedanken und Gefühle zuzuschreiben als ihre Altersgenossen aus ländlichen Gegenden. Dies könnte darauf zurückzuführen sein, dass städtische Kinder häufiger mit anthropomorphen Darstellungen von Tieren konfrontiert werden, während landwirtschaftlich geprägte Kinder möglicherweise mehr mit Tieren interagieren, die als Nutztiere gehalten werden oder als potenziell gefährlich wahrgenommen werden.

Um diese Erkenntnisse zu gewinnen, wählten die Forscher eine unkonventionelle Methode der Befragung. Statt direkt selbst die Interviews durchzuführen, ließen sie dies von Personen aus den jeweiligen kulturellen Kontexten vornehmen, die im Vorfeld in der Interviewführung geschult wurden. Diese Herangehensweise erlaubte es den Wissenschaftlern, tiefere Einblicke in die kulturellen Unterschiede und Gemeinsamkeiten in der Wahrnehmung von Tieren zu gewinnen. Trotz der geringeren Kontrolle über den Ablauf der Interviews glauben die Forscher, dass die Daten, die auf diese Weise gesammelt wurden, wertvoller sind, da sie im spezifischen kulturellen Kontext der Befragten entstanden sind.

Die Arbeitsgruppe „Kinder und Natur“, die an dieser Studie beteiligt war, beschäftigte sich von 2020 bis 2023 mit den Einstellungen von Kindern und Jugendlichen zu Tieren und deren Entwicklung in verschiedenen soziokulturellen Kontexten. Die Forscher sind derzeit dabei, die gesammelten Daten auszuwerten und bereiten weitere Veröffentlichungen vor, um diese wichtigen Erkenntnisse über die menschliche Wahrnehmung von Tieren einem breiteren Publikum zugänglich zu machen.

Insgesamt zeigt die Forschung, dass unser Verständnis von Tieren und deren emotionalen und kognitiven Fähigkeiten stark von kulturellen und sozialen Faktoren beeinflusst wird. Die gewonnenen Erkenntnisse könnten dazu beitragen, die Beziehung zwischen Mensch und Tier in der Zukunft zu verbessern und ein größeres Bewusstsein für den Schutz und die Rechte von Tieren zu schaffen.