Hungersnöte, Kriege und Revolutionen: Die Folgen der mittelalterlichen Kälteperiode, die Europa erschüttert hat

 

(Pieter Bruegel der Ältere: Ausschnitt aus „Die Kornernte“ in der Mittelalterlichen Warmzeit)

In der ersten Jahrtausendwende lebte der Benediktiner Rodulfus Glaber als Mönch in einigen Klöstern, darunter im burgundischen Cluny. In seinem Hauptwerk „Historiae“ beschäftigte er sich vor allem mit den Jahren zwischen 900 und 1040. Das war eine Zeit des Umbruchs, voller Tatendrang und Energie, in der die romanische und später gotische Kunst aufblühte. Die Ernten fielen reich aus, die Wirtschaft wuchs, und weite Teile Europas profitierten von einer deutlichen Verbesserung des Klimas.

Der britische Klimatologe Hubert H. Lamb prägte den Begriff der „mittelalterlichen Warmzeit“ – auch bekannt als Mittelalterliche Klimaperiode, Mittelalterliche Klimaanomalie oder Klimaoptimum. Aus einer Fülle von dokumentarischen Quellen und geologischen Daten entwickelte Lamb Indizien für die Sommerfeuchte und die Winterstrenge und kam zu dem Schluss, dass die nördliche Hemisphäre zwischen dem 8. und frühen 14. Jahrhundert eine Klimaperiode durchmachte, die durch steigende Mitteltemperaturen gekennzeichnet war. Die landwirtschaftliche Produktion wuchs, da die Vegetationsperiode des Getreides länger dauerte. Beispielsweise waren europäische Weinberge 300 bis 400 Kilometer weiter nördlich als heute zu finden.

In der Zeit gab es in den Niederlanden allerdings auch mehrere schwere Überschwemmungen, die durch die Schmelze der Eiskappen verursacht wurden. Die verheerendste Flut ereignete sich an St. Luzia von 1287 und kostete 50000 Menschen das Leben. Das Ergebnis war, dass das Meer einen großen Teil der Niederlande überflutete und ein riesiges Binnenmeer – die Zuiderzee – bildete. Erst 1932 wurde ein künstlicher Damm gebaut, der die Zuidersee in das Wattenmeer und einen Binnensee, das Ijsselmeer, teilt.

Die auf die Warmzeit folgende Kleine Eiszeit war eine Kälteperiode, die Europa etwa vom Ende des 13. bis hinein ins 19. Jahrhundert erschütterte, unterbrochen von kürzeren wärmeren Phasen. Der genaue Beginn dieser Kälteperiode ist Gegenstand von Diskussionen, die Hochphase der Kleinen Eiszeit fiel in Europa ungefähr auf die Zeit von Ende des 16. bis Ende des 17. Jahrhunderts. Jedenfalls waren die Winter immer öfter lang, die Sommer kühl und verregnet, und die Vegetationsphase war merklich kürzer. Schlechte Ernten und Hungersnöte waren die Folge. Der Getreideertrag fiel mitunter auf nur noch die Hälfte des Durchschnitts früherer Zeiten.

Viele Länder mussten eine Missernte nach der anderen hinnehmen. Die Preise für Lebensmittel stiegen rasant an: Im Winter 1315/16 verteuerte sich Weizen in Antwerpen um unglaubliche 320 Prozent. Große Teile der Bevölkerung litten Hunger, die Ärmsten starben qualvoll. In Ballungsgebieten wurden Szenen wie aus einem Horrorfilm beobachtet. So heißt es in einer Thüringer Chronik, dass „unermesslich viele Tote auf den Straßen, in Städten und Dörfern herumlagen und fünf große Gruben vor den Toren (Erfurts) ausgehoben wurden, in die täglich zahlreiche Kadaver geworfen wurden“. ​ Die Mangelernährung verstärkte die sozialen Spannungen in Europa und das Elend der Menschen nahm immer schrecklichere Ausmaße an. Die Kälte bereitete den Boden für Revolutionen und Kriege – etwa den Dreißigjährigem Krieg, Jahre voller Ernteausfälle gingen diesem Ereignis voraus. Vor der Französischen Revolution kam es immer wieder zu Extremwetterereignissen, die Dürren, Überflutungen und Hagelstürme mit sich brachten. Diese Naturereignisse reduzierten die Ernteerträge erheblich und trieben die Preise weiter in die Höhe, bis sich die Unzufriedenheit der Masse schließlich in der Revolution und der Absetzung des Königs Bahn brach.

Fazit: Die Klimaveränderungen im Mittelalter hatten erhebliche Folgen. Die sogenannte mittelalterliche Warmzeit führte zu höheren Ernten und einer verbesserten landwirtschaftlichen Produktion, während die darauffolgende Kaltzeit Missernten und hohe Preise für Lebensmittel hervorbrachte. Mangelernährungen und das Elend der Menschen führten daraufhin zu sozialen Spannungen und schließlich zu Revolutionen und Kriegen. Wir sollten also aus der Geschichte lernen, welche Auswirkungen ein Klimawandel für die Menschen haben kann und dementsprechend eine sachgemäße Vorsorge treffen.