Unser Klima als Reaktion auf langfristige Veränderungen der Sonneneinstrahlung

 

(Orbital bedingte langfristige Veränderung der Sonneneinstrahlung)

Geburtsstunde des europäischen Klimas entdeckt


Ein internationales Forscherteam unter Leitung der Universität
Leipzig hat die Klimageschichte von Nordwestafrika und Europa
untersucht. Hierbei fanden Prof. Dr. Christoph Zielhofer, Physischer
Geograph an der Universität Leipzig, und seine Kollegen Hinweise für den
Beginn des heutigen Klimas vor 5.000 Jahren. Eine besondere Rolle
spielt hierbei die sogenannte Nordatlantische Oszillation.

Dieses weiträumige Phänomen im Bereich des Nordatlantiks steuert in
Nordwestafrika und Europa das aktuelle Klima- und Wettergeschehen und
beschreibt die Schwankung der Druckverhältnisse zwischen dem Islandtief
im Norden und dem Azorenhoch im Süden. Einher gehen die Schwankungen der
Nordatlantischen Oszillation mit großräumigen Veränderungen der
Regenmengen, insbesondere im westlichen Mittelmeerraum und in
Nordeuropa. Obwohl sich die Erde seit 11.700 Jahren in einer Warmzeit
befindet, dem Holozän, scheint der Beginn der aktuellen Klimabedingungen
in Europa deutlich später einzusetzen: Die Wissenschaftler
identifizierten einen auffälligen Wechsel der hydroklimatischen
Verhältnisse vor etwa 5.000 Jahren, der mit dem Einsetzen der aktuell
klimabestimmenden Nordatlantischen Oszillation in Zusammenhang gebracht
wird. Die Ergebnisse wurden kürzlich in dem Fachjournal „Climate of the
Past“ publiziert.

Physische Geographen und Geowissenschaftler der Universitäten Leipzig,
Manchester, Marrakech und der Universität von Island sind in das
internationale, vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF)
geförderte Forschungsprojekt eingebunden. Mit der Untersuchung an
Bohrkernen aus dem Sidi-Ali-See im Mittleren Atlas Marokkos konnten die
Wissenschaftler verschiedene Winterregenphasen bis zum Beginn des
Holozäns vor 11.700 Jahre zurückverfolgen. „Wir haben herausgefunden,
dass sich die Winterregenanomalien im westlichen Mittelmeerraum zeitlich
mit Kältephasen im Bereich des subpolaren Nordatlantiks verknüpfen
lassen“, sagt Christoph Zielhofer, der bei seinen Forschungen eng mit
Anne Köhler vom Institut für Geographie der Universität Leipzig
zusammengearbeitet hat.

Bereits im Jahr 2001 publizierte der renommierte Geologe Gerard C. Bond
eine Serie von neun subpolaren Eisbergvorstößen während des Holozäns,
welche er anhand von Mineralpartikeln kontinentaler Herkunft aus marinen
Bohrkernen des Nordatlantiks rekonstruierte. Diese sogenannten
„Bond-Events“ repräsentieren neun großräumige Abkühlungsphasen über dem
Nordatlantik.

Basierend auf Sauerstoffisotopengehalten, gemessen an den Schalen
kleiner Muschelkrebse aus dem Bohrkern des Sidi-Ali-Sees, konnten
Christoph Zielhofer und sein Team holozäne Regenanomalien für den
westlichen Mittelmeerraum rekonstruieren. Diese Anomalien ließen sich
mit den „Bond-Events“ aus dem subpolaren Nordatlantik zeitlich
verknüpfen. „Unsere Daten deuten darauf hin, dass Phasen geringer
winterlicher Regenmengen im westlichen Mittelmeerraum und ‚Bond-Events‘
im Verlauf des Frühholozäns gleichzeitig auftraten“, erläutert William
J. Fletcher, Physischer Geograph von der Universität Manchester. Zudem
gibt es klare Hinweise auf einen nachhaltigen hydroklimatischen Wechsel
im atmosphärisch-ozeanischen Klimasystem des Nordatlantiks vor etwa
5.000 Jahren. In dieser Zeit wechselten die großräumigen
Klimamechanismen: Im westlichen Mittelmeerraum gingen nun Phasen
zunehmender Winterregen zeitlich einher mit einer vermehrten Bildung von
Eisbergen im subpolaren Nordatlantik.

Wiederkehrende Phasen vermehrter Winterregen im westlichen
Mittelmeerraum bei gleichzeitiger Abkühlung sind dem aktuellen Verhalten
der Nordatlantischen Oszillation ähnlich, die heute das Wetter- und
Klimageschehen in ganz Europa maßgeblich beeinflusst. Der auffällige
Wechsel vor 5.000 Jahren kann damit als Geburtsstunde unseres heutigen
Klimas in Europa verstanden werden. “Wir vermuten, dass der
hydroklimatische Wechsel dem Überschreiten eines klimatischen
Schwellenwertes gleichkommt, was möglicherweise als eine Reaktion auf
orbital bedingte, langfristige Veränderungen der Sonneneinstrahlung
zu
verstehen ist“, sagt Steffen Mischke von der isländischen Universität in
Reykjavik.

Originaltitel der Veröffentlichung in „Climate of the Past“:

„Western Mediterranean hydro-climatic consequences of Holocene ice-rafted debris (Bond) events“, doi.org/10.5194/cp-15-463-2019 

(Quelle: https://idw-online.de/de/news?id=713381&type=semanticsearch  abgerufen am 9.6.23)