Organoiden-Revolution: Forscher wollen Computer auf Menschenhirnbasis betreiben

 


Ein Forscherteam stellt im Fachblatt „Frontiers in Science“ Fahrplan für die  Entwicklung einer „organoiden Intelligenz (OI)“ vor. Diese basiert auf Hirnorganoide  – im Labor aus menschlichen Zellen gezüchtete Gewebestrukturen. Die OI soll nicht nur leistungsstärkere und sparsamere  Computer ermöglichen, sondern auch die Entwicklung von Medikamenten vorantreiben.

Die Forscher wollen biologische Computersysteme auf Basis von Hirnorganoide entwickeln, um die Lern- und Erinnerungsfähigkeiten des menschlichen Gehirns zu übertreffen. Die organoide Intelligenz könnte dabei helfen, die Funktion des Gehirns zu verstehen, die Entwicklung von  Medikamenten zu revolutionieren und die Computertechnologie zu verändern.

Gemäß Thomas Hartung, dem Leiter des Teams, sind Computer zwar grundsätzlich schneller als Menschen bei der Verarbeitung von Daten und Zahlen. Jedoch ist der Mensch immer noch überlegen, wenn es um komplexe logische Probleme geht. Außerdem kann ein einzelnes Neuron im Gehirn mit bis zu 10.000 anderen Nervenzellen interagieren, was eine völlig andere Art der Informationsverarbeitung und -speicherung darstellt, wie der Wissenschaftler betont.
Das Team veranschaulicht mit Illustrationen, wie die biologische Hardware aussehen könnte. Für solche Organoide nutzen die Forscher Zellen aus menschlichen Hautproben, die zunächst in einen stammzellenähnlichen Zustand transformiert und dann dazu gebracht werden, sich zu Hirnzellen zu entwickeln. Das in der Illustration abgebildete System aus Röhrchen und Flüssigkeit dient den Organoiden: Sie erhalten darüber Sauerstoff, Nährstoffe und Wachstumsfaktoren, während Abfallstoffe beseitigt werden. Zudem beschreiben die Forscher Technologien, die es erlauben, den Zellen Informationen zu senden und auszulesen, was sie „denken“.

Hartung und Brett Kagan, der Mitautor der Studien, haben eine Gehirn-Computer-Schnittstelle entwickelt, um Gehirnzellen mit einem Computer zu verbinden. Dies ermöglicht es, dass Gehirnzellen lernen können, wie man ein Videospiel spielt. Allerdings könnte es noch Jahrzehnte dauern, bis die Gehirnzellen so intelligent sind wie eine Maus. Es gibt bereits ethische Fragen im Raum, wie zum Beispiel, ob die Gehirnzellen Leid fühlen oder ein Bewusstsein entwickeln können. Um diese Unsicherheiten zu begegnen, schlagen die Autoren vor, den Forschungsprozess kontinuierlich von einem Team aus Ethikern, Forschern und Mitgliedern der Öffentlichkeit begleiten zu lassen.

Eine Stellungnahme der Nationalen Akademie der Wissenschaften Leopoldina  im Jahr 2022 betonte, dass Hirnorganoide aufgrund ihrer Instrumentalisierung ethische Bedenken aufwerfen können. Jedoch sei es unwahrscheinlich, dass sie Schmerzempfinden oder Bewusstseinszustände entwickeln könnten. Die Hirnorganoidforschung sei ein dynamisches Forschungsfeld mit substanziellen Fortschritten in den letzten Jahren, was möglicherweise die Einrichtung einer speziellen Ethikkommission erfordert.

Fazit: Das Forscherteam sieht OI als eine Möglichkeit, Computer leistungsstärker und sparsamer zu machen. Sie soll auch die Entwicklung von Medikamenten vorantreiben. Die Nationale Akademie der Wissenschaften Leopoldina betonte jedoch in einer Stellungnahme im Jahr 2022, dass Hirnorganoide aufgrund ihrer Instrumentalisierung ethische Bedenken aufwerfen können.