Die bemerkenswerte Lebensgeschichte der ersten Professorin für Mathematik, Sofja Kowalewskaja

 

Sofja Wassiljewna Kowalewskaja war die erste Professorin für Mathematik an der Universität Stockholm – und gleichzeitig die weltweit erste Frau, die selbst Vorlesungen hielt. Ihre Lebensgeschichte ist nicht nur bemerkenswert, sondern auch inspirierend.

Sofja Kowalewskaja wurde als zweite Tochter von Elisabeth Fjodorowna Schubert und Geral Wassili Wassiljewitsch Krukowski geboren. Ihre Mutter war eine gebildete Frau, die den 20-jährigen Artillerieoffizier der kaiserlich-russischen Armee und Gutsbesitzer geheiratet hatte. Sofja wurde gleich nach der Geburt in die Obhut eines Kindermädchens gegeben, das sich um ihre Erziehung kümmerte. Sie sah ihre Eltern nur zu den Mahlzeiten und hatte aufgrund des Altersunterschieds während ihrer Kindheit nur wenig Kontakt zu ihren Geschwistern. Anna wurde jedoch später zu ihrer engsten Vertrauten – sie machte Sofja mit einer intellektuellen Jugendbewegung, den Nihilisten, bekannt, die für die Befreiung der Frauen kämpften und Sofja schließlich halfen, ihren Traum von einem Studium im Ausland zu verwirklichen.

Sofja Interesse für Mathematik entstand unter anderem durch mathematische Dokumente in ihrer häuslichen Umgebung. Sie wurde darin besonders durch einen ihrer Onkel väterlicherseits gefördert, der gerne las und darüber sprach. Der elementare mathematische Unterricht, den sie bei ihrem polnischen Hauslehrer erhielt, erschien ihr zunächst langweilig. Als ihr Interesse an Algebra und Geometrie schließlich zunahm, verbot ihr Vater ihr den Mathematikunterricht. Sie ging weiterhin heimlich ihrem Interesse nach.

Mit fünfzehn Jahren wurde Sofja Chaja mit trigonometrischen Formeln in Optik vertraut gemacht, die sie ohne fremde Hilfe interpretierte. Als Folge davon erhielt sie Unterricht in fortgeschrittener Mathematik von Professor Strannolubski in Sankt Petersburg, wo sie Dostojewski traf und für ihn eine starke Zuneigung empfand.

1868 ging Sofja Kowalewskaja eine Scheinehe mit dem Studenten Wladimir Onufrijewitsch Kowalewski ein, damit sie zum Studium der Mathematik und Naturwissenschaften nach Westeuropa reisen konnte. Kowalewskaja landete schließlich in Heidelberg, wurde aber nicht immatrikuliert, weil sie eine Frau war.

Nach zahlreichen persönlichen Unterhaltungen mit verschiedenen Professoren der Mathematik und Physik konnte Sofja Kowalewskaja schließlich ihr Studium an der Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg zum Sommersemester 1869 beginnen – allerdings nur als Gaststudentin. Sie besuchte Vorlesungen über Mathematik bei Paul du Bois-Reymond und Leo Koenigsberger, Physik bei Hermann von Helmholtz und Gustav Kirchhoff und Chemie bei Robert Wilhelm Bunsen. Während ihrer Studienzeit in Heidelberg lebte Kowalewskaja mit ihrer Schwester Anna und ihrem Mann in der Unteren Straße der Heidelberger Altstadt.

Auf Anraten von Professor Koenigsberger wechselte Sofja Kowalewskaja zum Wintersemester 1870 nach Berlin zu Karl Weierstraß, einem der bedeutendsten Mathematiker seiner Zeit.

Sofja Kowalewskaja begann ihr Studium in Berlin, wo sie von ihrem Lehrer
Weierstraß unterrichtet wurde. Sie pflegte eine enge Beziehung zu ihm
und arbeitete vier Jahre lang hart an ihrer Dissertation, die sie im
Sommer 1874 einreichte. Da es schwierig war, eine Universität zu finden,
an der sie promovieren konnte, entschied sich Weierstraß schließlich
für die Universität Göttingen. Obwohl er selbst das Frauenstudium nicht
unterstützte, setzte er sich für Kowalewskaja ein und erreichte, dass
sie in absentia promovieren konnte. Sie erhielt im August 1874 ihren
Doktorgrad summa cum laude.

Sofja Kowalewskaja zog mit ihrem Mann und ihrer Tochter nach Moskau, wo
sie sich wieder in die Mathematik stürzte. Sie besuchte Veranstaltungen
der Moskauer Mathematischen Gesellschaft und reiste nach Berlin, um
Anschluss an die aktuelle Forschung zu finden. Nachdem sie ihren Mann
verlassen hatte, zog sie nach Paris und trug dort ihre Arbeit vor dem 7.
Kongress der Naturforscher und Ärzte vor. Als ihr Mann im April 1883
Selbstmord beging, erhielt sie von dem schwedischen Mathematiker Gösta
Mittag-Leffler eine Stelle als Privatdozentin an der Universität
Stockholm. Trotz Angriffen und Vorurteilen hielt sie ihre Vorträge und
unterrichtete erfolgreich an der Universität. 

 Sie wurde Mitherausgeberin der Acta Mathematica und damit
die erste Frau im Herausgeberstab einer wissenschaftlichen Zeitschrift und sie erhielt als erste Frau eine Professur in Europa an der Universität Stockholm. Sie löste einen Spezialfall des
Problems der Rotation fester Körper um einen Fixpunkt und gewann den
Bordin-Preis. Nachdem ihre Professur in Stockholm ausgelaufen war,
bemühte sie sich in Frankreich und Russland um eine Stelle und wurde
schließlich in Stockholm zur Professorin auf Lebenszeit ernannt. Sie
starb im Alter von 41 Jahren an einer Lungenentzündung.

 Fazit: Sofja Kowalewskaja konnte sich trotz vieler Widrigkeiten und
Vorurteile in der Männerdomäne der Mathematik durchsetzen. Sie
hatte zunächst Schwierigkeiten, an einer Universität promoviert zu
werden, da sie Frau war, aber schließlich gelang es ihr, in absentia an
der Universität Göttingen zu promovieren. Sie wurde auch die erste
Professorin in Europa seit dem 18. Jahrhundert und die erste Frau, die
zum Herausgeberstab einer wissenschaftlichen Zeitschrift gehörte. Sie
ließ sich auch nicht von Angriffen und Vorurteilen entmutigen und hielt
ihre Vorlesungen in Stockholm trotzdem auf Schwedisch, obwohl sie
zunächst auf Deutsch gehalten wurden. Sie bewies, dass sie die
Fähigkeiten und das Wissen hatte, um in der Mathematik erfolgreich zu
sein, und inspirierte dadurch viele andere Frauen, sich in diesem
Bereich zu engagieren.