Das Tauen des Permafrosts: Ein schleichender Prozess oder ein kritischer Wendepunkt für das Klima?**

Das Tauen des Permafrosts: Ein schleichender Prozess oder ein kritischer Wendepunkt für das Klima?**

Das Auftauen des arktischen Permafrosts infolge der globalen Erwärmung hat alarmierende Konsequenzen für unser Klima. Durch die steigenden Temperaturen wird der dauerhaft gefrorene Boden instabil, wodurch große Mengen Kohlendioxid und Methan freigesetzt werden. Diese Gase tragen nicht nur zur Erderwärmung bei, sondern könnten auch als unumkehrbare Veränderungen im Klimasystem angesehen werden. Forscher diskutieren daher, ob der Permafrost als sogenanntes „Kippelement“ fungieren kann, das ab einer bestimmten Temperaturgrenze in einen anderen Zustand übergeht.

Eine neue Übersichtsstudie, in der Wissenschaftler des Max-Planck-Instituts für Meteorologie (MPI-M) zusammen mit internationalen Partnern ihre Erkenntnisse zusammengetragen haben, wirft Licht auf die komplexen Prozesse, die mit dem Tauen des Permafrosts verbunden sind. Die Forscher kommen zu dem Schluss, dass die Veränderungen auf globaler Ebene graduell verlaufen, während sie auf lokaler Ebene auch abrupt geschehen können. Victor Brovkin, ein führender Forscher des MPI-M und Hauptautor der Studie, erklärt: „Ein plötzliches Kippen ist in Klimamodellen nicht erkennbar.“ Dennoch ist der Verlust des im Permafrost gespeicherten Kohlenstoffs als unumkehrbar einzustufen. Sobald der Boden aufgetaut ist, wird die Zersetzung des Kohlenstoffs nicht mehr gestoppt werden können, selbst wenn die globalen Temperaturen wieder sinken sollten.

Ein Beispiel für abrupt eintretende Veränderungen auf lokaler Ebene sind Thermokarst-Landschaften. Diese entstehen, wenn Permafrostböden absacken und sich in den Vertiefungen Seen bilden. Diese neuen Gewässer tragen dazu bei, Wärme in tiefere Erdschichten zu transportieren, was das Auftauen des Permafrosts weiter beschleunigt und die Zersetzung des darin gebundenen Kohlenstoffs vorantreibt. Auch extreme Wetterereignisse wie Hitzewellen oder Überschwemmungen können plötzliche Veränderungen hervorrufen und ein Ökosystem lokal destabilisieren. Dennoch ist nicht gesagt, dass solche lokalen Veränderungen eine Kettenreaktion auf globaler Ebene auslösen.

Die Überwachung dieser Veränderungen wird durch den Einsatz moderner Satellitentechnologie erleichtert. Satelliteninstrumente sind in der Lage, plötzliche Bodenabsenkungen und Schwankungen des Wasserpegels aus dem All heraus zu erfassen. Die Forscher arbeiten daran, aus diesen Daten mögliche Frühwarnsignale zu identifizieren, die auf ein bevorstehendes Kippen hindeuten. Der kürzlich gestartete Sentinel-1C-Satellit der Europäischen Weltraumorganisation (ESA) könnte zusätzliche Informationen liefern, um diese Bemühungen zu unterstützen.

Ein weiterer Aspekt, der in der Diskussion um den Permafrost als Kippelement oft vernachlässigt wird, ist die veränderte Hydrologie. Philipp de Vrese, ein weiterer Wissenschaftler am MPI-M, erläutert, dass die Veränderungen in der Feuchtigkeit der Arktis Auswirkungen auf die Wolkenbildung haben können. Dies hat wiederum weitreichende Folgen für die Energiebilanz des gesamten Planeten und könnte auch andere Regionen wie das Amazonasgebiet oder die Sahelzone beeinflussen, die ebenfalls als potenzielle Kippelemente gelten.

Trotz der Unsicherheiten in der Forschung gibt es bislang keine eindeutigen Beweise dafür, dass der Permafrost als Kippelement agiert. Dennoch kann diese Möglichkeit nicht ausgeschlossen werden. Brovkin bleibt besorgt: „Die Veränderungen, die wir gegenwärtig in der Arktis beobachten, sind alarmierend.“ Die nächste Phase der Forschung wird sich auf das Tipping Point Modelling Intercomparison Project (TIPMIP) konzentrieren, welches von Ricarda Winkelmann, Direktorin des Max-Planck-Instituts für Geoanthropologie, geleitet wird. Ziel ist es, das Verständnis über die Rolle von Permafrost und anderen möglichen Kippelementen im Klimasystem zu vertiefen.

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass das Tauen des Permafrosts sowohl graduelle als auch abrupte Veränderungen nach sich zieht, deren Auswirkungen auf das globale Klima weitreichend und potenziell gefährlich sein können. Die fortdauernde Forschung ist entscheidend, um die Komplexität dieser Prozesse besser zu verstehen und mögliche Interventionen zu entwickeln.