
Die Wälder der Europäischen Union spielen eine entscheidende Rolle im Kampf gegen den Klimawandel, da sie etwa 40 Prozent der Landfläche der EU bedecken und in den letzten drei Jahrzehnten etwa 10 Prozent der menschengemachten Kohlenstoffemissionen des Kontinents absorbiert haben. Neueste Forschungen, die in der renommierten Fachzeitschrift Nature veröffentlicht wurden, zeigen jedoch alarmierende Entwicklungen: Die Fähigkeit dieser Wälder, Kohlenstoffdioxid (CO₂) aus der Atmosphäre aufzunehmen, nimmt zunehmend ab. Dies könnte gravierende Konsequenzen für die Klimaziele der EU haben, die sich zum Ziel gesetzt hat, bis 2030 zusätzliche 42 Millionen Tonnen CO₂-Äquivalente einzusparen.
Die Untersuchung, an der ein internationales Forscherteam beteiligt war, hebt hervor, dass die Kohlenstoffsenke der Wälder zwischen 2020 und 2022 um etwa 27 Prozent im Vergleich zum Zeitraum von 2010 bis 2014 gesunken ist. Diese besorgniserregende Entwicklung wird durch neue Schätzungen für 2025 noch verstärkt, die einen weiteren Rückgang der Kohlenstoffspeicherung erwarten lassen. Wenn dieser Trend anhält, wird es für die EU eine erhebliche Herausforderung darstellen, ihre Klimaziele zu erreichen.
Historisch gesehen haben die Wälder in der EU ihre Biomasse seit 1950 mehr als verdoppelt und ihre Funktion als Kohlenstoffsenke sogar verdreifacht. Diese positive Entwicklung war vor allem das Ergebnis von Aufforstungsmaßnahmen nach den Weltkriegen, verbesserten Bewirtschaftungstechniken und dem vermehrten Einsatz von Energiequellen, die Holz ersetzt haben. Außerdem führte der erhöhte Stickstoffeintrag zu einem beschleunigten Wachstum der Bäume. Doch nun sind verschiedene Faktoren dafür verantwortlich, dass die Kohlenstoffaufnahme dieser Wälder zurückgeht.
Ein wesentlicher Grund für den Rückgang ist die steigende Holzernte, die durch eine wachsende Nachfrage nach Holz und Holzprodukten bedingt ist. Zudem hat der Klimawandel zu häufigeren Hitzewellen und Dürren geführt, die das Wachstum der Bäume stark beeinträchtigen. Diese ungünstigen Bedingungen führen zu einem Rückgang der Biomasse und damit zu einer verminderten Kapazität der Wälder, CO₂ zu speichern. Zusätzlich sind die Wälder vermehrt von Insektenbefall, Stürmen, Baumsterben und Waldbränden betroffen, die durch den Klimawandel begünstigt werden. Besonders alarmierend ist, dass etwa 30 Prozent der Wälder in der EU Monokulturen sind, die anfälliger für klimatische und biologische Bedrohungen sind.
Prof. Markus Reichstein vom Max-Planck-Institut für Biogeochemie, einer der Hauptautoren der Studie, betont, dass die Auswirkungen des Klimawandels auf die Wälder nicht nur kurzfristig, sondern auch langfristig deren Fähigkeit zur Kohlenstoffspeicherung beeinträchtigen. Diese Trends sind nicht auf die EU beschränkt, sondern zeigen sich auch in anderen Regionen der Welt, wie etwa in den tropischen Wäldern des Amazonas.
Um diesen besorgniserregenden Entwicklungen entgegenzuwirken, empfehlen die Forscher eine Vielzahl von Maßnahmen. Dazu gehören die Reduzierung der Treibhausgasemissionen, die Förderung einer nachhaltigen Waldbewirtschaftung, die die Widerstandsfähigkeit der Wälder gegenüber zukünftigen klimatischen Bedingungen erhöht, sowie die Anpassung der Holzerntepraktiken. Zudem ist eine bessere Überwachung der Kohlenstoffspeicher und des Gesundheitszustands der Wälder erforderlich, um Daten zu gewinnen, die für politische Entscheidungen notwendig sind.
Reichstein weist darauf hin, dass ein alleiniges Vertrauen auf natürliche Kohlenstoffsenken riskant ist. Vielmehr sollten Maßnahmen zur Emissionsminderung priorisiert werden, da diese nicht nur die Klimaextreme verringern, sondern auch dafür sorgen, dass die Wälder wieder mehr CO₂ binden können. Die Studie skizziert konkrete Schritte zur Verbesserung der Waldüberwachung, Modellierung und Bewirtschaftung, die zur Erhaltung der Kohlenstoffsenken beitragen können.
Diese Maßnahmen könnten nicht nur das Renaturierungsgesetz der EU von 2024 unterstützen, sondern auch zur Erreichung der Klimaneutralitätsziele bis 2050 beitragen. Die Implementierung integrierter Maßnahmen in Kombination mit Anreizen für nachhaltige Praktiken könnte der EU helfen, den Rückgang ihrer Wälder zu stoppen und deren entscheidenden Beitrag zur Bekämpfung des Klimawandels zu sichern.