
In den letzten Jahren hat sich der dramatische Rückgang der Geierpopulationen weltweit zu einem ernsten Problem entwickelt. Ein wesentlicher Faktor für das Sterben dieser Vögel sind Vergiftungen, die häufig durch den Verzehr von kontaminierten Tierkadavern verursacht werden. Diese Kadaver sind oft absichtlich mit Giften behandelt, um Raubtiere in landwirtschaftlichen Gebieten zu bekämpfen oder um illegale Aktivitäten wie Wilderei zu kaschieren. In diesem Kontext haben Forschende der GAIA-Initiative am Leibniz-Institut für Zoo- und Wildtierforschung (Leibniz-IZW) herausgefunden, dass der Einsatz von Tiersendern eine effektive Methode zur frühzeitigen Erkennung von Vergiftungsfällen darstellen kann.
Geier, die Aasfresser sind, spielen eine entscheidende Rolle im Ökosystem, da sie helfen, die Umwelt von schädlichen Krankheitserregern zu befreien. Ihre Fähigkeit, viele Krankheitserreger zu tolerieren, macht sie zu wichtigen Akteuren in der ökologischen Gesundheit. Allerdings sind sie extrem anfällig für synthetische Gifte, wie sie in Agrarpestiziden vorkommen. Diese Gifte führen oft zu massiven Sterbewellen, wenn Geier in großer Zahl von vergifteten Kadavern fressen. Solche Vorfälle sind nicht nur tragisch, sondern haben auch erhebliche Auswirkungen auf die Populationen vieler Geierarten, darunter der Weißrückengeier, dessen Bestände in den letzten Jahrzehnten um bis zu 90 % zurückgegangen sind.
Die Forscher der GAIA-Initiative haben einen innovativen Ansatz entwickelt, um die negativen Auswirkungen von Vergiftungen auf Geierpopulationen zu minimieren. Sie analysierten Daten von mit Sendern ausgestatteten Weißrückengeiern im Etosha-Nationalpark in Namibia. Ihre Studien zeigten, dass eine schnelle Identifizierung und Beseitigung von vergifteten Kadavern entscheidend ist, um Todesfälle unter Geiern zu verhindern. Wenn ein vergifteter Kadaver innerhalb von zwei Stunden entfernt wird, kann dies bis zu 45 % der nachfolgenden Todesfälle vermeiden. Die Ergebnisse legen nahe, dass es ausreicht, nur 5 % der Geierpopulation mit Sendern auszurüsten, um eine signifikante Reduzierung der vergiftungsbedingten Sterblichkeit zu erreichen.
Die Forscher verwendeten modernste Technologien, um die Bewegungen und das Verhalten der Geier zu verfolgen. Die Sender lieferten minütliche Positionsdaten und Informationen über die Aktivitäten der Vögel, was es den Wissenschaftlern ermöglichte, Muster im Fressverhalten zu erkennen und vorherzusagen, wo Kadaver in der Landschaft zu finden sein würden. Diese Erkenntnisse wurden in agentenbasierten Modellen simuliert, die die Nahrungssuche der Geier in verschiedenen Szenarien abbildeten.
Ein bemerkenswerter Aspekt der Forschung ist, dass das soziale Verhalten der Geier ihre Anfälligkeit für Vergiftungen beeinflusst. Geier folgen häufig anderen Vögeln zu Kadavern, was ihre Exposition gegenüber vergifteten Nahrungsquellen erhöht. In den Modellen wurde deutlich, dass soziale Futterstrategien, während sie Vorteile in der Nahrungsaufnahme bieten, auch das Risiko von Massenvergiftungen erhöhen. In einem Szenario fraßen nahezu alle Geier an einem Kadaver, während in einem nicht-sozialen Fressverhalten nur etwa 60 % der Vögel betroffen waren.
Die Ergebnisse dieser Studie sind alarmierend, besonders vor dem Hintergrund des dramatischen Rückgangs der Geierpopulationen, die mittlerweile als akut vom Aussterben bedroht gelten. Die Hauptursachen für diesen Rückgang sind der Verlust von Lebensräumen und Nahrung sowie die wiederholte Exposition gegenüber Vergiftungen. Der Weißrückengeier beispielsweise hat in nur drei Generationen einen Rückgang von 90 % erlebt, was auf eine nachhaltige Gefährdung der Art hinweist.
Die Erkenntnisse aus dieser Forschung bieten nicht nur einen Hoffnungsschimmer für den Schutz der Geier, sondern auch ein praktisches Werkzeug zur Bekämpfung der Vergiftungsproblematik. Indem gezielt Tiersender eingesetzt werden, könnte es gelingen, die Sterblichkeit durch Vergiftungen signifikant zu reduzieren und somit einen wertvollen Beitrag zum Erhalt dieser wichtigen Vogelarten zu leisten.