
Ein internationales Team von Wissenschaftlern, angeführt von Prof. Dr. Simon Darroch von der Senckenberg Gesellschaft für Naturforschung, hat ein innovatives Konzept entwickelt, um die tiefgreifenden Auswirkungen von Lebewesen auf die Erde zu verstehen. In ihrer aktuellen Studie untersuchen sie, wie Organismen nicht nur lokale Lebensräume, sondern auch zentrale Erdprozesse über Jahrmillionen verändern. Diese Forschung wirft wichtige Fragen zur Rolle des Menschen in der gegenwärtigen ökologischen Krise auf.
Das Konzept des „Earth System Engineering“ (ESE) wird in der Studie vorgestellt. Es bezieht sich auf biologisch bedingte Prozesse, die nicht nur kurzfristige Auswirkungen haben, sondern das gesamte Erdsystem – einschließlich Atmosphäre, Ozeane und Böden – nachhaltig beeinflussen. Diese Veränderungen hinterlassen deutliche Spuren in der geologischen Geschichte, die über die Lebensdauer der jeweiligen Arten hinaus bestehen bleiben. Mit dieser neuen Perspektive können Forscher die Entwicklungen in der Gegenwart mit Belegen aus der Fossilüberlieferung verknüpfen, um die langfristigen Auswirkungen des Lebens auf der Erde systematisch zu untersuchen.
Die Erde ist ein dynamischer Planet, der seit der Entstehung des Lebens vor etwa 3,5 Milliarden Jahren kontinuierlich von verschiedenen Organismen beeinflusst wird. Diese Einflüsse können sowohl lokal, wie beim Bau eines Dammes durch Biber, als auch global und dauerhaft sein. Besonders bedeutsam sind die tiefgreifenden Veränderungen, die durch den Menschen verursacht werden, die gegenwärtig einen Höhepunkt erreicht zu haben scheinen. Doch ist dies tatsächlich der Fall?
Um diese Frage zu klären, hat das Forschungsteam um Prof. Dr. Darroch einen neuen Ansatz entwickelt, der verschiedene Formen des Bio-Engineerings über die gesamte Erdgeschichte analysiert. Die Studie differenziert zwischen dem traditionellen Konzept des „Ecosystem Engineering“ (EE), bei dem einzelne Arten lokal Ressourcen und Lebensräume beeinflussen, und dem neuen Ansatz des ESE, dessen Auswirkungen global und langfristig sind. Laut Darroch erfordert das Verständnis dieser Prozesse eine umfassende Betrachtung der Erdgeschichte.
Ein Beispiel für ESE ist die Entwicklung der Photosynthese vor 2,4 Milliarden Jahren, die den Sauerstoffgehalt der Atmosphäre erheblich steigern und somit die Voraussetzungen für komplexes Leben schaffen konnte. Auch Riffe, die Kohlendioxid speichern, und dichte Wälder, die durch den Albedo-Effekt das Klima beeinflussen, sind Beispiele für ESE-Prozesse, die weitreichende und langfristige Folgen haben. Diese biologischen Interaktionen können Ökosysteme über große Entfernungen hinweg beeinflussen und sind über die Zeit hinweg von großer Bedeutung.
Durch den neuen Ansatz können die Forscher aktuelle Beobachtungen mit historischen Daten aus der Fossilforschung verbinden. Prof. Dr. S. Kathleen Lyons von der University of Nebraska-Lincoln, Co-Autorin der Studie, betont, dass dieses Konzept dazu verwendet werden kann, um herauszufinden, ob bedeutende Veränderungen in der Erdgeschichte in bestimmten Clustern auftraten und ob deren Folgen vorhersagbar sind.
Ein zentrales Thema der Forschung ist die Rolle des modernen Menschen. Die Auswirkungen menschlicher Aktivitäten, wie die Nutzung fossiler Brennstoffe und die industrielle Landwirtschaft, haben globale und langfristige Konsequenzen, darunter die Klimakrise und das Artensterben. Die Forscher stellen die Frage, ob die gegenwärtigen vom Menschen verursachten Effekte tatsächlich einzigartig sind oder ob es in der Erdgeschichte vergleichbare Ereignisse gab. Durch das Studium fossiler Überlieferungen können Hinweise auf vergangene ESE-Prozesse gefunden werden, die nach Massenaussterben unterbrochen oder geschwächt wurden.
Angesichts der aktuellen Herausforderungen in Bezug auf Biodiversität und Klimawandel sind diese Erkenntnisse von großer Bedeutung. Die Antworten auf die Fragen nach den langfristigen Folgen menschlichen Handelns im Anthropozän können dazu beitragen, die gegenwärtige ökologische Krise besser zu verstehen und mögliche Wege zur Minderung der Auswirkungen zu finden. In der Tat ist die Forschung um die Wechselwirkungen zwischen Organismen und ihrem Planeten nicht nur von wissenschaftlichem Interesse, sondern auch von entscheidender Relevanz für die Zukunft der Erde.