Genetische Vielfalt als Schlüssel zum Schutz der Biodiversität**

Genetische Vielfalt als Schlüssel zum Schutz der Biodiversität**

Ein internationales Forschungsteam unter der Leitung von Prof. Dr. Deborah M. Leigh von der Senckenberg Gesellschaft für Naturforschung hat in einer jüngsten Veröffentlichung die entscheidende Rolle der genetischen Vielfalt für den Erhalt der biologischen Vielfalt hervorgehoben. Die genetische Diversität, die Variabilität innerhalb einer Art, wird oft als weniger wichtig erachtet, obwohl sie fundamentale Bedeutung für die Stabilität und Anpassungsfähigkeit von Ökosystemen hat. Die Forscher betonen, dass ein nachhaltiger Ansatz für den Biodiversitätsschutz nicht nur den Erhalt von Arten und Ökosystemen umfassen sollte, sondern auch die genetische Vielfalt als essenziellen Bestandteil berücksichtigen muss.

Die Gemeine Esche (Fraxinus excelsior) wird als Beispiel herangezogen, um die Bedeutung genetischer Diversität zu verdeutlichen. Diese Baumart ist nicht nur für die Holzproduktion wichtig, sondern spielt auch eine zentrale Rolle im Ökosystem. Aktuell wird die Esche durch das Eschentriebsterben, ausgelöst durch einen aus Asien eingeschleppten Pilz, stark bedroht. Untersuchungen zeigen, dass es in den Wäldern eine gewisse Resistenz gegen diese Krankheit gibt, die vererbt werden kann. Eine größere genetische Vielfalt innerhalb der Eschenpopulation erhöht die Wahrscheinlichkeit, dass einige Bäume über die notwendigen Gene verfügen, um resistent gegen die Krankheit zu sein.

Prof. Leigh hebt auch die Vorteile genetischer Vielfalt bei Seegräsern hervor, die für die Kohlenstoffspeicherung und als Lebensräume für zahlreiche Fisch- und Muschelarten von Bedeutung sind. Untersuchungen haben gezeigt, dass genetisch vielfältige Seegräser besser in der Lage sind, mit Umweltveränderungen umzugehen. Diese Beispiele verdeutlichen, dass genetische Vielfalt nicht nur für die Stabilität einzelner Arten, sondern für das gesamte Ökosystem von entscheidender Bedeutung ist.

Das Forschungsteam warnt jedoch, dass die genetische Vielfalt in vielen politischen Konzepten, Umweltberichten und wirtschaftlichen Maßnahmen oft vernachlässigt wird. Neben der Artenvielfalt und der Vielfalt der Ökosysteme ist die genetische Vielfalt die dritte, ebenso wichtige Dimension der Biodiversität. Die Autoren fordern daher eine stärkere Berücksichtigung genetischer Aspekte in zukünftigen Schutz- und Managementstrategien.

Mit den Fortschritten in genetischen und genomischen Analysemethoden ist es heutzutage möglich, genetische Vielfalt kostengünstig und in großem Maßstab zu erfassen. Dazu gehören auch Proxydaten, die indirekt gemessen werden können. Diese Technologien eröffnen neue Möglichkeiten, um genetische Diversität in die Planung und Umsetzung von Naturschutzmaßnahmen einzubeziehen.

Ein wichtiger Schritt in diese Richtung ist der 2022 auf der UN-Biodiversitätskonferenz verabschiedete „Kunming-Montreal-Vertrag“. Dieser sieht vor, dass bis zum Jahr 2030 messbare Verbesserungen im Zustand von Arten, Ökosystemen und natürlichen Prozessen erreicht werden müssen. Das langfristige Ziel ist eine vollständige Erholung bis 2050. Der dort festgelegte „naturpositive“ Ansatz zielt darauf ab, den Verlust an biologischer Vielfalt nicht nur zu stoppen, sondern aktiv umzukehren und die Ökosysteme wiederherzustellen.

Prof. Leigh warnt jedoch, dass es fahrlässig wäre, die genetische Vielfalt in diesen Bemühungen zu ignorieren. Politik, Wirtschaft und Gesellschaft müssen die Bedeutung genetischer Diversität ernst nehmen und sie in ihre Strategien einbeziehen. Ein klarer Fokus auf genetische Vielfalt ist unerlässlich, um die Resilienz von Arten und Ökosystemen zu gewährleisten und somit die Stabilität der gesamten biologischen Vielfalt langfristig zu sichern.

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die genetische Vielfalt ein unverzichtbarer Baustein für den effektiven Schutz der Biodiversität ist. Das Forschungsteam fordert eine stärkere Berücksichtigung dieser Dimension in der Naturschutzpolitik, um eine naturpositive Zukunft zu gestalten. Nur durch die Integration genetischer Aspekte in die Biodiversitätsstrategien können wir die Herausforderungen des Klimawandels und anderer Umweltveränderungen erfolgreich bewältigen und das Überleben vieler Arten sichern.