
Die Erholung tropischer Wälder nach menschlichen Eingriffen ist ein langwieriger Prozess, der mehr Zeit in Anspruch nimmt, als oft angenommen wird. Eine neue Studie des Senckenberg Biodiversität und Klima Forschungszentrums in Frankfurt hat gezeigt, dass die Wiederherstellung der natürlichen Wechselwirkungen zwischen Pflanzen und samenausbreitenden Tieren nach der Abholzung bis zu zwei Jahrzehnten in Anspruch nehmen kann. Dies hat weitreichende Konsequenzen für den Schutz der Biodiversität und den Klimaschutz.
Tropenwälder sind als die „Lunge der Erde“ bekannt, da sie eine immense Artenvielfalt beherbergen und eine entscheidende Rolle im globalen Klimasystem spielen. Leider sind diese wertvollen Ökosysteme durch Abholzung und andere menschliche Aktivitäten stark bedroht. Die Studie hebt hervor, dass die Wiederherstellung dieser Wälder nicht nur die Wiederbelebung der Pflanzenpopulationen, sondern auch die Rückkehr von Tieren umfasst, die für die Samenausbreitung unerlässlich sind. Diese Interaktionen sind entscheidend für die natürliche Regeneration der Wälder.
Im Rahmen der Forschungsgruppe REASSEMBLY untersuchten Wissenschaftler 62 verschiedene Flächen im Chocó-Regenwald in Ecuador, die sich in unterschiedlichen Stadien der Regeneration befanden – angefangen von landwirtschaftlich genutzten Flächen wie Kakaoplantagen bis hin zu ungestörten Naturwäldern. Die Forscher analysierten, welche Tierarten für die Ausbreitung der Samen verantwortlich sind und wie sich die Vielfalt dieser Wechselwirkungen im Laufe der Zeit verändert.
Die Ergebnisse der Studie sind aufschlussreich: Tierarten, die für die natürliche Samenausbreitung verantwortlich sind, kehren erst nach vielen Jahren zurück. Während kleinere Vogelarten, die kleine Samen transportieren, schneller zurückkehren, benötigen größere Tiere wie Tukane und Säugetiere oft mehr als ein Jahrzehnt, um wieder in den regenerierten Wald zurückzukehren. Besonders langwierig ist die Rückkehr von Arten, die spezifische Lebensraumanforderungen haben.
Ein zentraler Aspekt der Studie ist die Bedeutung der Verbindung zwischen Waldflächen. Je besser ein Waldstück mit angrenzenden, intakten Wäldern vernetzt ist, desto schneller finden die Tiere zurück und übernehmen ihre Rolle als Samenausbreiter. In isolierten Waldinseln gestalten sich die Regenerationsprozesse deutlich langsamer. Darüber hinaus spielen alte Bäume eine entscheidende Rolle als „Brücken“ in der Landschaft und erleichtern den Tieren die Wanderung zwischen verschiedenen Waldfragmenten.
Die Erkenntnisse der Studie legen nahe, dass die natürliche Erholung tropischer Wälder weit länger dauert, als die oft angenommenen Zeitspannen von zehn bis fünfzehn Jahren, die in vielen Regionen für die Wiederbewaldung angelegt werden. Wenn Wälder vorzeitig gerodet werden, können die entscheidenden ökologischen Prozesse nicht vollständig wiederhergestellt werden. Dies hat nicht nur Auswirkungen auf die Biodiversität, sondern auch auf die gesamte Funktionalität des Ökosystems.
Die Forscher betonen, dass effektive Maßnahmen zur Beschleunigung der Wiederbewaldung notwendig sind. Dazu zählt der Erhalt alter Bäume sowie eine verbesserte Vernetzung der Waldflächen. Diese Maßnahmen erfordern zwar einen hohen Aufwand, sind jedoch entscheidend für die Wiederherstellung intakter Regenwälder.
Insgesamt verdeutlicht die Studie die Komplexität der ökologischen Wechselwirkungen in tropischen Wäldern und die Notwendigkeit, diesen Prozess bei der Planung von Aufforstungs- und Naturschutzprojekten zu berücksichtigen. Der Schutz und die Wiederherstellung tropischer Wälder sind nicht nur für die Erhaltung der Artenvielfalt von Bedeutung, sondern auch für die globalen Klimaziele. Wissenschaftler und Naturschützer müssen zusammenarbeiten, um die notwendigen Rahmenbedingungen zu schaffen, die eine nachhaltige Erholung dieser wertvollen Ökosysteme ermöglichen.