Die Schatten der Vergangenheit: Bleikontamination im Arktischen Ozean durch historische Emissionen**

Die Schatten der Vergangenheit: Bleikontamination im Arktischen Ozean durch historische Emissionen**

Der Arktische Ozean, lang als unberührtes Ökosystem angesehen, sieht sich zunehmend mit den Folgen menschlicher Aktivitäten konfrontiert, insbesondere mit der Bleikontamination. Eine aktuelle Studie, durchgeführt von der Technischen Universität Braunschweig in Zusammenarbeit mit dem GEOMAR Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung Kiel und anderen Institutionen, zeigt, dass die durch menschliche Aktivitäten freigesetzten Bleimengen, die über den Nordatlantik in das Nordpolarmeer gelangen, alarmierende Ausmaße annehmen. Diese Forschung, die in der renommierten Fachzeitschrift „Nature Communications“ veröffentlicht wurde, beleuchtet die potenziell schädlichen Auswirkungen von Bleiverunreinigungen auf marine Lebensräume.

Blei ist ein toxisches Schwermetall, das im menschlichen Körper akkumuliert und ernsthafte gesundheitliche Probleme wie Nervenschäden und Krebs verursachen kann. Seit Beginn der Industrialisierung wurden Millionen Tonnen Bleiverbindungen in die Atmosphäre emittiert, wobei der größte Teil dieser Emissionen auf die Verwendung von verbleitem Benzin im 20. Jahrhundert zurückzuführen ist. Der drastische Anstieg der Bleikonzentration in der Umwelt ist vor allem auf die Verbrennung von Tetraethylblei, einem Zusatzstoff, der die Motorleistung verbessern sollte, zurückzuführen. Diese Emissionen führten zu einer weitreichenden Kontamination, die selbst in den entlegensten Regionen der Erde, einschließlich des Arktischen Ozeans, nachweisbar ist.

Das Verständnis der Bleikonzentrationen im Arktischen Ozean war bislang aufgrund der Mangel an präzisen Messungen in diesen Gewässern eingeschränkt. Um dieses Wissen zu erweitern, wurden zwischen 2015 und 2016 drei bedeutende Forschungsreisen mit dem deutschen Forschungseisbrecher „Polarstern“ und dem kanadischen Küstenwachschiff „Amundsen“ unternommen. Diese Expeditionen ermöglichten es den Wissenschaftlern, erstmals quantitative Schätzungen über den Bleieintrag aus dem Nordatlantik in die Arktis zu erstellen.

Die Ergebnisse dieser Studien sind besorgniserregend: Der Arktische Ozean hat zwischen 1970 und 2015 schätzungsweise 75.000 Tonnen anthropogen bedingtes Blei aus dem Nordatlantik aufgenommen. Diese Menge, obwohl im Vergleich zu den Hunderttausenden Tonnen, die im Nordatlantik abgelagert sind, relativ gering erscheint, ist dennoch signifikant genug, um eine weitreichende Kontamination der arktischen Tiefseesedimente zu verursachen. An einigen Stellen sind die Bleigehalte so hoch, dass sie potenziell schädlich für die dort lebenden Organismen sind.

Ein innovativer Aspekt der Studie war die Anwendung der sogenannten „Fingerabdruckmethode“, die es den Forschern ermöglichte, die Herkunft des Bleis zu identifizieren. Durch präzise Messungen der Bleisotopenzusammensetzung konnten sie zwischen natürlichen und anthropogenen Quellen unterscheiden. Diese Methodik ist äußerst anspruchsvoll, da die Konzentrationen im Meerwasser typischerweise im Nanogramm-pro-Liter-Bereich liegen und spezielle Techniken zur Vermeidung von Kreuzkontamination erforderlich sind.

Die Zusammenarbeit mit internationalen Partnern, darunter das Imperial College London und das NIOZ Royal Netherlands Institute for Sea Research, spielte eine entscheidende Rolle bei der Durchführung dieser komplexen Forschungsprojekte. Prof. Harald Biester von der TU Braunschweig hebt hervor, wie wichtig solche Kooperationen sind, um die Auswirkungen menschlicher Emissionen auf die Ozeane besser zu verstehen.

Die durch den Klimawandel bedingten Veränderungen, wie der Verlust von Meereis und die Erhöhung der Sedimenterosion, könnten die Freisetzung von Blei aus arktischen Sedimenten weiter begünstigen. Dies wirft Fragen über die zukünftige Entwicklung des Bleikreislaufs in der Arktis auf und könnte potenziell gravierende Folgen für die marine Biodiversität in dieser sensiblen Region haben.

Blei ist ein Element, das keine bekannte biologische Funktion hat und dessen Gefahren für die Gesundheit seit Jahrhunderten bekannt sind. Trotz der Bemühungen, die Verwendung von verbleitem Benzin zu reduzieren, bleibt die Rückstandsbelastung in der Umwelt ein ernstes Problem. Die Ergebnisse dieser Studie verdeutlichen nicht nur die langfristigen Auswirkungen menschlicher Aktivitäten auf abgelegene Ökosysteme, sondern betonen auch die Notwendigkeit eines fortgesetzten Monitorings und weiterer Forschung, um die Gesundheit der Ozeane zu schützen und die Auswirkungen vergangener Emissionen zu bewältigen.